Neue Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle Einfach nur schauen, staunen, träumen

Düsseldorf · Mit „Only Lovers Left“ stellen Margarete Jakschik und Friedrich Kunath in der Düsseldorfer Kunsthalle erstmals gemeinsam aus.

Margarete Jakschik und Friedrich Kunath in ihrer Ausstellung.

Foto: Katja Illner

Einsam parkt ein Paar Sneakers auf der leeren Fläche. Aus jedem Schuh ragt ein drahtiger Schnürsenkel. Hebt man den Blick, erfasst er weitere Gebilde aus Draht, geformt wie Vogelschwingen. Sie fliegen himmelwärts, weit hinaus über die Empore der Kunsthalle. Bis hin zu einer farbkräftigen Wand in dem nach oben offenen Ausstellungsraum im Parterre. Auf beiden Ebenen breiten sich die Werke von Margarete Jakschik und Friedrich Kunath aus. Sie eine Fotografin, die ausschließlich analog arbeitet und sich der „Poesie des Alltäglichen“ verschrieben hat. Er ein Maler, dessen künstlerisches Spektrum auch Skulpturen, Filme und Installationen umfasst.

Das Paar lebt in Los Angeles und arbeitet in einem Atelier mit separaten Bereichen. „Only Lovers Left“ ist die erste gemeinsame Ausstellung von Jakschik und Kunath. So wie in der Kunsthalle oben und unten verschmelzen, ist auch die Schau gestaltet. Malerei und Fotografie verschränken sich aufs Feinste, oft verdeutlicht sich das Sujet erst beim genauen Hinschauen.

„Das Konzept hat sich bei der Vorbereitung organisch entwickelt, es lässt sich nicht trennen“, sagt Friedrich Kunath, „für mich ist unsere künstlerische Vereinigung ein Gewinn. In einer Beziehung herrscht nicht immer Gleichklang, es gibt glückliche und traurige Momente. Diese Dinge bedürfen der Überschneidung.“ Die Vorlieben ihrer elfjährigen Tochter hatten einen nicht unmaßgeblichen Einfluss auf die Raumgestaltung im Erdgeschoss, erzählt das Paar.

Die bunte Wand heißt bei ihnen mittlerweile Taylor-Swift-Wand, weil sie vom Plattencover „Lover“ inspiriert ist. „Das Kinderzimmer wandelt sich allmählich zum Teenagerzimmer“, sagt Kunath, „ich liebe jegliche Art von Übergängen.“

Was für ein Vergnügen, sich mittendrin aufzuhalten und ein Detail ums andere in sich aufzunehmen. Das lappige Tennisnetz auf dem grünen Rasenteppich, den man betreten, aber nichts anfassen darf. Den riesigen „I love melancholy“-Button. Surreale Elemente wie den überdimensionierten Slipper mit aufgesetztem Spiegelei. Und doppeldeutig-witzige wie die Aufschrift „I need a break“ auf einem Tennisball. Drumherum Bilder, in denen man sich verliert. Ein Ort zum Schauen, zum Staunen, zum Träumen.

Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle, hat „Only Lovers Left“ mit Alicia Holthausen kuratiert. „Ein großes Geschenk“, sagt er, „die Mischung von Romantik und existenziellem Realismus kann zu Tränen rühren. Melancholie und Heiterkeit sind hier ausbalanciert, Ästhetik ist das Maß aller Dinge. Das schließt ein kuratiertes Konzept nicht aus. Aber dieses ist vorrangig schön.“

Jakschik, einst Studentin bei Thomas Ruff an der Kunstakademie, hat sich die Becher’sche Sachlichkeit nie zu eigen gemacht. Ihre Bildsprache, das zeigt sich in der Aneinanderreihung von 45 gleichformatigen Fotografien und Gemälden beider Künstler auf der Empore, steckt voller Andeutungen und verschlüsselten Botschaften.

Auf einigen Bildern taucht in allerlei Verkleidungen ein weißhaariger alter Mann auf: Jakschiks Vater, ein Bergmann aus Polen, verpflanzt nach Hollywood.

„Wie ein Schauspieler durchschreitet er unsere beiden Welten“, sagt Kunath. In ihrer Wahlheimat Kalifornien haben sie ihre Werke schon öfter ausgestellt. Gibt es dort, verglichen mit hiesigen Gepflogenheiten, eine andere Wahrnehmung von Kunst? „Die Amerikaner sind nicht so durchdrungen von kunsthistorischen Bezügen, zeigen aber eine große Neugier und Offenheit“, antwortet der gebürtige Chemnitzer: „In Deutschland wird vieles zuerst hinterfragt.“

Das ist im Seitenlichtsaal des Museums nicht nötig. Die Mixed-Media-Installation „All Your Fears Trapped Inside“ macht einfach nur Spaß. In einem geräumigen dreieckigen Glaskasten hat Friedrich Kunath ein liebevolles Sammelsurium aus seiner Kinder- und Erwachsenenzeit arrangiert: Spielzeug, Bücher, Alltagskram, Tierfiguren, Schallplatten, ein Mini-Bett auf Menschenfüßen. Und über allem schwebt in Neonschrift der Wunsch „never let it end“. Dazu läuft Musik in Dauerschleife, Kunath stellte extra dafür eine dreistündige Playlist zusammen.

Neben dem hell erleuchteten Schaukasten hängt ein Bild mit komplizierten mathematischen Formeln auf weißem Grund. Oben sehr breit, verdünnen sie sich mehr und mehr, fließen in einen Trichter – und unten kommt eine Null heraus. Bei seiner ironisierten „Lebensrechnung“ orientierte sich der Künstler an Einsteins Arbeitszimmer in Pasadena. Es faszinierte ihn, dass der Wissenschaftler Teile seiner Relativitätstheorie schlichtweg an die Wand gekritzelt hatte.

Voller Freude geht Friedrich Kunath durch die fertige Ausstellung, gespannt auf die Reaktion der Besucher. „Mag sein, dass wir manchmal übers Ziel hinausschießen“, räumt er ein, „aber wir öffnen ganz und gar unser Herz.“