Er gilt als Schwan unter den Tänzern

Marcos Menha begeistert das internationale Tanzpublikum. Jetzt wurde der Düsseldorfer ausgezeichnet.

Foto: Gert Weigelt

Düsseldorf. Er ragt heraus, auf der Bühne, auf Fotos oder in Filmen: Marcos Menha, der mit knapp 1,90 Meter größer ist als die meisten Tänzer. Seine langen Beine, sein gebogener Hals, seine sprechenden Hände und Arme, seine Eleganz und außergewöhnliche Präsenz hatten kürzlich zu dem schwärmerischen Lob einer Berliner Tanz-Managerin geführt: „Marcos erinnert mich an einen zarten, weißen Schwan“, sagte die Laudatorin bei der Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2016 im voll besetzten Aalto-Theater in Essen.

In Anwesenheit von Bundestagspräsident Norbert Lammert und den Spitzen der europäischen Tanzwelt erhielt Marcos Menha (zusammen mit dem russischen Choreographen Andrey Kaydanovskiy) den Deutschen Tanzpreis Zukunft, den zuvor internationale Topstars erhielten wie Polina Semionova (derzeit eine der derzeit besten Ballerinen der Welt) und der Niederländer Marijn Rademaker, der häufig mit der Stuttgarter Elite-Truppe auftritt. In dieser Reihe zu stehen, macht Menha — zurzeit wieder im neuen Ballettabend b.27 in einer Schläpfer-Uraufführung zu erleben — stolz, glücklich und dankbar, auch über die prominenten Gratulanten. Nichts scheint selbstverständlich für den 32-jährigen Mann, für den Martin Schläpfer 2015 das Stück „verwundert seyn - zu sehen“ kreiert hatte, der auch darin hoch hinaus tanzt, aber immer auf dem Teppich geblieben ist.

Hoch sensibel, feinnervig und sehnig — so tanzt er in diesem Schläpfer-Stück einen Mann, der gegen sein Alter Ego kämpft, zwischen Männern und Frauen hin- und hergerissen wird. Voller Gefühl spricht er von seinen Eltern in seinem Geburtsort bei Sao Paolo. Er sei in einfachen Verhältnissen, aber behütet aufgewachsen. Trotzdem unterstützten die Eltern den Sohn bei seinem sehnlichen Wunsch, nach Deutschland zu gehen. „Für das Flugticket musste mein Vater sein Auto verkaufen“, erzählt er und ringt mit seinen Emotionen. Das war vor 15 Jahren. In Brasilien entdeckte ihn die frühere Stuttgarter Primaballerina Birgit Keil bei einem Wettbewerb, bot ihm sofort ein Stipendium in der Mannheimer Hochschule an und engagierte ihn in das Staatstheater Karlsruhe. Ihr verdanke er viel, fast alles. „Sie war wie eine Mutter für uns.“

Umso enttäuschter war der Tänzer, dass die weltweit gefeierte Ballettchefin Birgit Keil nicht zur Preisverleihung nach Essen kam. „Sie hat mir vermutlich nicht verziehen, dass ich nach Düsseldorf gegangen bin, weil ich unbedingt mit Martin Schläpfer arbeiten und so wie das Ballett am Rhein tanzen wollte.“ Sie seien so frei in ihrer Bewegung, brächten so viel Energie und Kraft über die Bühne — das faszinierte den akademisch perfekten und stilsicheren Menha, der in Karlsruhe als Solist in „Schwanensee“, „Don Quijote“ und „Nussknacker“ aufgefallen war und bereits damals „weißer Schwan“ genannt wurde. Diese Ballette waren für den Karrierestart wichtig, brauche er heute aber nicht mehr.

Erstmals sah er eine Schläpfer-Choreographie 2011, als er seinen Landsmann Alexandre Simoes in Düsseldorf (früher auch in Karlsruhe) besuchte. Nachdem Schläpfer ihn im Training erlebt hatte, bot er ihm einen Vertrag an. „Wenn Schläpfer mit uns trainiert oder probt, gibt er alles, inspiriert uns jeden Tag und spürt sofort, wenn es uns nicht gut geht. Er ist wie ein Thermometer“, erklärt er die Vorzüge des Meisters, der sich wiederum von Menhas Bewegungen inspirieren lässt. Sein großer Vorteil, sagen bewundernd seine Freunde: „Er hat so viel Vorstellungskraft, erzählt uns immer fantastische, auch lustige Geschichten.“ Dennoch bewahrt Menha auf der Bühne stets den klassischen Look und seine fabulöse Technik. Auch dank Birgit Keil. „Ich bin froh, dass ich diese Technik heute für Schläpfer-Ballette nutzen kann.“