Geigerin Hilary Hahn in der Tonhalle
Hilary Hahn und das HR-Orchester gastierten am Samstag unter der Leitung von Paavo Järvi in der Tonhalle.
Düsseldorf. Es ist ein bisschen wie im Märchen: Hilary Hahn (34), eine der besten Geigerinnen der Welt, erscheint in romantischer Gewandung, bestehend aus einem engen, hellen Oberteil mit goldenen Applikationen und einem buschig ausladenden schwarzen Schwanenfeder-Rock. Selbstbewusst schaut sie mit ihrem Porzellanpüppchen-Gesicht ins zahlreich erschienene Tonhallen-Publikum.
Der Verein der Freunde und Förderer der Tonhalle hatte ordentlich Geld in die Hand genommen, um das Konzert der Reihe „Sternstunden“ zu ermöglichen.
Das formidable HR-Sinfonieorchester steht unter Leitung seines Chefdirigenten Paavo Järvi — es beginnt mit einem der schönsten und bewegendsten Violinkonzerte des 19. Jahrhunderts, dem von Johannes Brahms. Die junge amerikanische Geigerin verbreitet ihren Zauber, dem bereits etwas Unwirkliches anhaftet.
Die enormen technischen Ansprüche des Brahms-Konzerts sind dem Hörer zwar bewusst, doch scheint deren Gefährlichkeit durch das souveräne Spiel von Hilary Hahn wie ausgeschaltet. Man weiß: Hahn wird nicht stolpern — und kann sich deshalb zurücklehnen um der unglaublichen Schönheit des Spiels zu lauschen. Alles klingt kostbar und edel. Kein Akzent wirkt übertrieben, kein Affekt aufgesetzt. Wenn mal ein Gefühl zum Ausdruck kommt, dann wirkt es echt. Das ist nicht mehr Gold, das ist Platin.
Doch könnte sich manch ein Hörer fragen, warum ihm angesichts dieser erlesenen Ästhetik nicht so recht das Herz aufgehen mag. Das liegt sicher an der geringen emotionalen Betriebstemperatur von Hahns Geigenspiel. Das alles wirkt zwar wunderbar wie Märchenmagie, doch scheint es der Zauber der Schneekönigin zu sein, der hier zum Zuge kommt.
Hilary Hahn ist geradezu bekannt für ein recht unterkühltes, strenges Spiel von marmorner Schönheit. Ihr zur Seite steht der passende Dirigent. Denn Paavo Järvi geht als Schneekönig unter den Pult-Stars durch. Auch er verzichtet auf emotionalen Überschwang und setzt auf glasklare Klangarchitektur ohne Schnörkel und Schnickschnack. Für den rauschenden Beifall bedankte sich die Geigerin mit einem ebenfalls formvollendeten Bach-Solo.
Nach der Pause spielt das Orchester Anton Bruckners Dritte Symphonie, ein Werk von kompromissloser Kantigkeit. Das Wiener Uraufführungspublikum soll im Jahr 1870 verständnislos auf die Richard Wagner gewidmete Symphonie reagiert haben, der wiederum die Trompeten-Führung beim wohlwollenden Blick auf die Partitur so interessant fand, dass er Bruckner fortan immer „die Trompete“ nannte. Die Klangwirkung mit ihren Doppel-Oktaven erinnert an eine Kirchenorgel.
Dadurch wirken viele Passagen sehr sakral. Paavo Järvi nimmt die Zügel recht straff, so dass die Strukturen klar herauskommen. Die tänzerischen Stellen, die an österreichische Ländler erinnern, dirigiert er mit viel Sinn fürs Burlesk-Rhythmische. Auch für Bruckner gibt es großen Beifall. Das Publikum wird mit Jean Sibelius’ melancholisch verschleiertem „Valse triste“ als Zugabe belohnt.