Hat die Kunstakademie ausgespielt?

Ex-Rektor Markus Lüpertz warnt im Interview davor, die Akademie als Schule zu verstehen. Er selbst sei als Rektor gescheitert.

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Düsseldorf. Die Spannungen an der Kunstakademie zwischen dem Senat als gewählter Spitze des Hauses und der Rektorin Rita McBride wirkten wie ein Erdbeben. Was hat McBride eigentlich falsch gemacht in den Berufungen und im Umgang mit der Bürokratie? Wir fragten Markus Lüpertz, der über 20 Jahre das Haus scheinbar wie ein Souverän geführt hat.

Herr Lüpertz, Rektorin Rita McBride gerät in die Schusslinie. Was hat die Nachfolgerin von Tony Cragg und von Ihnen vielleicht falsch macht?

Lüpertz: Der Rektor muss eine Idee von einem Institut vermitteln, das sich poetisch und künstlerisch darstellt. Eine Akademie ist in einem Hochschulgefüge der Leichtsinn, das Poetische, das Musische eben. Sie lebt nicht von den Schülern, sondern von den Kollegen, die an dieses Haus gebunden sind. Wenn diese Kollegen nicht kommunizieren, dann stirbt das Haus.

Was hat man vernachlässigt?

Lüpertz: Eine Akademie muss in den Köpfen der Lehrenden aufgewertet werden, sie muss als Olymp existieren. Die Professoren kamen in meiner Zeit wegen der Kollegen. Diese Kommunikation unter den Professoren ist wichtig. Das ist auch das Geheimnis der Berufungspolitik.

Wovor warnen Sie?

Lüpertz: Die Akademie muss sich mit Händen und Füßen gegen jede Art von Verschulung wehren. Sie ist kein Bildungsinstitut, sie ist ein Freiraum. Sie existiert nicht, damit Künstler lernen, sondern damit sie sich begegnen. Nur aus dieser Begegnung heraus kann man eine Akademie als Idee entwickeln und vermitteln.

Gab es zu Ihrer Zeit Spannungen im Haus?

Lüpertz: Ich kann mich nicht daran erinnern. Einen Tag vor einer Senatssitzung habe ich das ganze Kollegium über diese Senatssitzung informiert. Unsere Senatssitzungen waren kurzweilige Veranstaltungen, Rekorde von einer viertel Stunde. Man hat mir unterstellt, ich würde machen, was ich wollte. Das stimmte gar nicht. Ich habe nur Ideen gehabt, und die haben die anderen akzeptiert. Wir stritten über das Künstlerische, aber wir waren nie tagespolitisch.

Bei der Berufung des Kanzlers schaltete sich kürzlich das Wissenschaftsministerium ein.

Lüpertz: Das ist die Hilflosigkeit der momentanen Leitung. Frau McBride ist eine ehrenwerte Frau, die nach ihrem Verständnis die Akademie betreibt. Und nach ihrem Verständnis ist das eben eine Schule. Vielleicht ist das so, weil sie Amerikanerin ist. Sie hat die poetische Sicht der Dinge nicht, was mir befremdlich ist. Wir waren ein Bollwerk gegen die Verschulung.

Das Letzte vielleicht?

Lüpertz: In der Tat hat an anderen Häusern die Verschulung längst stattgefunden. Völlig versiegt und verdämmert sind die Akademien in Berlin, Braunschweig, Karlsruhe. Wir sind die Letzten, die sich noch in irgendeiner Weise poetisch behaupten können.

Was halten Sie von Semesterprofessoren?

Lüpertz: Was soll ein Mensch in einem Semester bewirken? Eine Privatakademie kann einen Dozenten berufen, und der macht einen Kursus. Die Akademie hat einen anderen Zeitbegriff. Semesterprofessuren nimmt man nur, um sich vor einer Entscheidung zu drücken. Ich habe die Akademie zu einer Legende gemacht. Zu einer Künstlerlegende. Darauf bin ich stolz. Ich hatte aber das Glück, all die großen Nachkriegskünstler vorzufinden. Somit spielte ich in einer Liga, die in der ganzen Republik einmalig war.

Werden Sie pessimistisch?

Lüpertz: Ich behaupte selbst, ich bin als Rektor gescheitert, weil ich die ganz wichtige Idee der Akademie als Künstlerbude nicht so vermitteln konnte, dass sie überdauerte. Die Zeit hat meine Ideen überrollt. Ich glaube auch, dass die Zeiten des Künstler-Rektors vorbei sind. Sie werden einen Präsidenten als Verwaltungsdirektor von außen holen, weil sich die Künstler nicht mehr mit der Akademie identifizieren. Die Akademie war eine Freundschaftsgeschichte von Leuten, die sich mögen und am selben Strang ziehen.

Und nun?

Lüpertz: Wer zukünftig Malerei studieren will, muss das in den Studios der Künstler tun. Das war um 1900 in Paris und Düsseldorf üblich. Die Akademie war out, und große Künstler wie Matisse gingen in Ateliers von Künstlern und zeichneten dort.