Horrorvision in der Paketpost
Uraufführung von Nora Mansmanns Stück „Zwei Brüder, drei Augen“.
Düsseldorf. Man könnte es für ein politisches Theaterstück halten, mit dem Nora Mansmann den Preis des ersten Autorenlabors des Düsseldorfer Schauspielhauses gewann: Die Welt scheint kurz vor dem Untergang, der Klimawandel hat die Erde beinahe unbewohnbar gemacht, die Menschen liegen im Sterben oder sie kämpfen mit Tumoren. Nobbi, der Laborant, ist ein Werwolf mit Tumor, seine Freundin Gelantine träumt von Revolution und Bürgerkrieg, Wowa hat drei Augen und Wahnvorstellungen, seine Schwester Frotzi ist Hermaphroditin: "Montagmorgen bin ich aufgewacht und mein Geschlecht war weg, ja das passiert mir in letzter Zeit öfter, keine Ahnung warum..."
"Zwei Brüder, drei Augen" heißt das Stück von Nora Mansmann. Die Autorin ist 27 Jahre alt und hat schon mehrere Dramen auf die Bühne gebracht. Versatzstücke von Wirklichkeit spielen in ihrem Werk mit, aber sie verarbeitet sie zu kruden, gespenstischen Horrorvisionen, ähnlich denen von Wowa, der überall schreckliche Dinge aus den Wänden wuchern sieht und das Leben nur noch mit Hilfe von "Medikamenten" aushält, die ein zwielichtiger Pizzabote (Ilja Niederkirchner) ins Haus bringt.
Das alles macht nicht wirklich Sinn, sondern verbreitet nur eine vage depressive Untergangsstimmung, die aber mit reichlich Komik garniert ist. Auf diese setzte Christian Doll in seiner phantasievollen Inszenierung im alten Probenraum in der Paketpost. Denis Geyersbach macht aus Wowa eine skurrile Figur, kindlich verloren kämpft er sich durchs Dasein, spielt ruppig mit dem Krankenbett seiner Oma (Marianne Hoika), die daran Gefallen findet.
Drei Rollen in einer verkörpert Michael Schütz: den melancholischen Nobbi, der sich widerwillig in einen draufgängerischen Werwolf verwandelt oder von seinem sprechenden Tumor in einen dämlichen Optimismus gezwungen wird. Susanne Tremper macht aus der machtgeilen Ärztin Dr. Foxy eine schrille Karikatur, die Gelantine von Anne Knaak räkelt sich als morbide Seejungfrau durch den Abend. Janina Sachau macht mit ihrer "Hermaphroditin" deutlich, dass das Mutantenstück hinter all seinem Weltuntergangsklimbim eigentlich von Identitätsstörungen handelt. Von einer verlorenen, desorientierten Jugend.