Interview: „Düsseldorf ist eine Herausforderung“
„Für Mahler kennen wir uns noch nicht gut genug“, sagt Andrey Boreyko nach der ersten Spielzeit über sich und die Symphoniker.
Düsseldorf. Generalmusikdirektor Andrey Boreyko schwingt ausnahmsweise vor einem Orchester aus seinem Heimatland den Taktstock. In Colmar dirigierte er kürzlich die Russische Nationalphilharmonie, um gleich im Anschluss in New York die New Yorker Philharmoniker zu leiten. Die WZ traf Boreyko im elsässischen Colmar, um mit ihm über seine erste Spielzeit an der Düsseldorfer Tonhalle zu sprechen.
Andrey Boreyko: Der größte Unterschied liegt nicht in der Nationalität, sondern in der Aufgabe eines Orchesters, also im Unterschied zwischen einem rein sinfonischen, einem Opern-, und einem Rundfunkorchester. Jedes dieser Orchester hat seine ganz spezifische Art.
Ich dirigiere fast ausschließlich sinfonische Werke, deshalb ist es für mich etwas einfacher mit einem Sinfonie- und Rundfunkorchester zu arbeiten als mit einem Orchester, das, wie in Düsseldorf, mehr als die Hälfte der Probe- und Produktionszeit im Operngraben verbringt.
Boreyko: Nein, ich liebe Herausforderungen und versuche die starke Seite des Opernorchesters kennen zu lernen, und für meine Arbeit zu nutzen. Nach der ersten gemeinsamen Spielzeit bin ich künstlerisch noch genauso an dieser Herausforderung interessiert, wie vor einem Jahr.
Boreyko: Nach sechs Wochen der gemeinsamen Arbeit mit den Düsseldorfer Symphonikern kann ich diese Frage noch nicht endgültig beantworten. Ich habe aber den Eindruck, dass unsere Symphoniker bei ganz verschiedenem Repertoire über ein gleich starkes Können verfügen. Das hängt aber natürlich auch vom jeweiligen Dirigenten ab. Wenn er den richtigen Weg zum Herzen unserer Musiker findet, kann er sehr viel erreichen.
Boreyko: Wo ich als Chefdirigent gearbeitet habe, kam Mahler erst nach zwei bis drei Jahren aufs Programm. Ich denke, dies wird auch in Düsseldorf der Fall sein. Das würde bedeuten, dass wir wahrscheinlich in der Spielzeit 2011/ 2012 unseren ersten Versuch unternehmen, eine Mahler-Sinfonie vorzubereiten. Ich möchte aber betonen, dass die Düsseldorfer Symphoniker auch heute bereits eine Mahler-Symphonie sehr gut spielen.
Boreyko: Mahler bedeutet mir persönlich sehr viel, und wenn ich ein Mahler Werk dirigiere, muss ich 100 Prozent sicher sein, dass das Orchester und ich uns bis ins allerkleinste Detail verstehen. Ich möchte mich ganz frei fühlen, aber gleichzeitig eine Garantie haben, dass die Musiker bereit sind, diese Freiheit zu akzeptieren und alle Wünsche zu realisieren.
Boreyko: Zu Beginn steht immer das gegenseitige "Kennenlernen". Beide Seiten schaffen so eine optimale Art und Weise der Zusammenarbeit. Laut Vertrag arbeite ich in Düsseldorf aber nur sechs Wochen pro Saison. Noch nie habe ich so wenig mit dem "eigenen" Orchester gearbeitet.
Das bedeutet, ich habe viel weniger Zeit als üblich, um meine Wünsche und Träume zu realisieren. Aber ich bin diese Konditionen eingegangen und deshalb beschwere ich mich auch nicht, sondern suche nach einem geeigneten Weg für diese Bedingungen.
Boreyko: Ich fühle mich in Düsseldorf als einer von zwei Chefdirigenten. Ob mir das gefällt oder nicht, das ist der Status quo dieser Stadt. Aber in jedem Fall fühle ich meine Verantwortlichkeit für dieses Orchester, für seine Gegenwart und seine Zukunft, und ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um die Düsseldorfer Symphoniker und das Düsseldorfer Publikum nicht zu enttäuschen.