Interview mit Kurator Norman Rosenthal: Mama Käthe Zucker floh vor den Nazis
Der Kurator von „Bonjour Russland“ gilt als Koryphäe. Erstmals spricht er über das Leben seiner Mutter an der Kö.
Düsseldorf. WZ: Sir Rosenthal, Sie sprechen perfekt Deutsch. Wie kommt das?
Rosenthal: Meine Mama stammt aus Thüringen, wo die Nazis schon 1927 aktiv waren. Sie zog über Köln nach Düsseldorf. Sie hieß Käthe Zucker und hat in einem Kaufhaus an der Königsallee gearbeitet
WZ: Das kann nur der Kaufhof gewesen sein, das ehemalige Kaufhaus Tietz. Wie kam sie nach England?
Rosenthal: Sie floh im August 1939, im letzten Augenblick also, nach England. Sie war jüdisch, wie mein Vater.
WZ: Wie überlebte sie den Krieg?
Rosenthal: Der Mann meiner Schwester, der in der deutschen Armee war, vermittelte sie nach England. Dann wurde ihm jedoch nahe gelegt: Entweder, du verlässt deine Frau oder die Armee. Er hat die Armee verlassen und ist mit seiner Frau untergetaucht. Ich glaube, sie haben zwei Jahre in Hamburg gelebt, geschützt von einem SS-Offizier. Ihr Mann ist in ziemlich schlechten Umständen 1945 gestorben. Meine Mutter und meine Tante haben überlebt.
WZ; Wie überstand Ihre Mutter den Nazi-Terror?
Rosenthal: Man kam nur nach England, wenn man einen Job hatte. Sie wurde Dienstmädchen bei einem Akademiker in Cambridge. Dort lernte sie meinen Vater kennen, der 1940 oder 1941 auf verschlungenen Wegen aus der Slowakei nach England kam. Ich bin 1944 in Cambridge geboren und habe in den 50er Jahren oft meine Tante im Sommer in Hennef an der Sieg besucht. Meine Mutter starb 1993.
WZ: Sie sind Engländer?
Rosenthal: Ja, und Englisch ist meine erste Sprache.
WZ: Sie nennen sich Sekretär der Königlichen Akademie obwohl Sie doch Ausstellungsdirektor sind?
Rosenthal: Die Royal Academy ist ein sehr altes Institut der Akademiker, und ich diene den Professoren. Ich muss alles vom Vorstand der Maler, Bildhauer und Architekten bewilligen lassen.
WZ: Sie haben an der Royal Academy eine große Sammlung?
Rosenthal: Sie ist nicht so groß wie die der Tate Gallery oder der National Gallery von London. Wir haben zwar die einzige Skulptur von Michelangelo in Groß-Britannien und einige andere schöne Dinge, aber wir sammeln nicht. Vielmehr muss jeder neue Professor ein Stück hinterlegen. Im Gegensatz zu früher haben wir wichtige Künstler in der Akademie.
WZ: Sie arbeiten häufig mit anderen Häusern?
Rosenthal: Ja, in New York, Washington, Paris oder Düsseldorf.
WZ: Ein Wort zum Tanz von Matisse?
Rosenthal: Es ist eines der größten Meisterwerke der Welt, ein sehr radikales Werk, von einem Sammler aus Moskau in Paris bestellt.