Düsseldorf: Schmidt-Rottluff-Stipdentiaten Junge Stipendiaten erobern die Kunsthalle

Düsseldorf. · Seit über 40 Jahren profitieren junge Leute von der Karl-Schmidt-Rottluff-Stiftung. Am Grabbeplatz bedanken sich mit einer fulminanten Schau.

Schmidt-Rottluff-Stipendiat Raphael Sbrzesny vor seiner Performance in der Kunsthalle.

Foto: Helga Meister

Zehn junge Künstler kamen in den letzten zwei Jahren in den Genuss des Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendiums und revanchieren sich in der Kunsthalle am Grabbeplatz mit einer wunderbar vielfältigen Schau. Sie präsentieren ihre Erfahrungen mit der Vergangenheit, ihre Experimente mit der Farbe, ihr Können im Spiel von Kunst und Musik. Sie zeigen aber auch lustige Filme wie einen Stier in einer abstrakten Schaumlandschaft.

Am eindrucksvollsten ist er Emporensaal. Dort trifft man auf das Werk von Susann Maria Hempel aus dem kleinen Greiz in Thüringen, wo die Bevölkerung schrumpft und das Theater einer Multifunktionshalle  weichen musste. Derlei Verlusterscheinungen notiert sie in ihrem lesenswerten Katalog. Zugleich steuert sie eine Sound-Arbeit bei, die einem den Atem raubt.

Sie zitiert die Traumata eines Nachbarn, der in einer DDR-Haftanstalt einen Schock fürs Leben erhielt und dessen Erinnerungen nicht mehr ganz vollständig sind.  Seine Seele sei aus seinem Körper geflogen, erzählt die Autorin. Sie kennt ihn seit zehn Jahren und zeichnet jedes Gespräch auf, das manchmal einen ganzen Arbeitstag lang dauert. Aus den Abschriften baut sie Texte, die sie nachspricht und die in der Regel Hörspielpreise erzielen. Das Leben des Mannes sei so beschädigt, dass aus ihm ein lebender Torso geworden ist, der jeglicher Zukunftsperspektive beraubt sei. Auch Henrike Naumann aus Zwickau arbeitet sich an der DDR-Geschichte ab. Sie bezieht sich auf ihren Großvater, der selber Maler war.

Aber es geht nicht nur traurig zu in dieser Schau. Mit Fabian Treiber präsentiert sich ein Malertalent aus Stuttgart. Seinen Bildern bereitet er zunächst eine strahlend gelbe „Farbdusche“, wie er das bühnenhafte Proszenium nennt, als wolle er eine Farbbarriere aufbauen. Was er dahinter zeigt, sind nicht ganz greifbare Motive. Zettelkram an Zeichnungen, aber gemalt. Ein vergilbtes Grün, ein leichtes Grau, ein Altrosa wie ein Abgesang. Der Betrachter denkt an Collagen, die keine sind. Er blickt durch ein Fenster, das gleich aus dem Rahmen rutschen wird, gäbe es tatsächlich einen Rahmen. Der Fensterblick führt in eine Landschaft, aber ohne Perspektive. Malerei als eine nicht ganz greifbare Zwischenzone. Trotzdem klingt eine leichte Schönheit an.

Ebenfalls im Emporensaal probiert Sarah Lehnerer ein analoges Druckverfahren aus, indem sie auf farbige Overhead-Folien, deren Motive sie mit Tusche beschichtet, flüssigen Gips kippt. Ist das Ganze getrocknet, nimmt sie die Folie ab und koloriert die Motive nach. Auch hier kommt die Schönheit gleichsam durch die Hintertür. Wäre noch Charlotte Dualé zu nennen, die mit der Hand in feuchte Tonmasse greift und je nach dem Druck mit den Fingern seltsame Würste formt, die gefärbt und glasiert wie phantastische Morsezeichen an der Wand hängen.

Im Seitenlichtsaal lässt sich ein Film-Spektakel bewundern. Yalda Afsah stieß in einer französischen Kleinstadt auf eine Schaumparty mit einem jungen Stier. Der Seifenschaum wird über große Turbinen in ein Becken geblasen. Dann geht es los, versuchen sich junge Männer im Kräftevergleich mit dem Tier. Es geht darum, dass Mensch und Tier zugleich in einem Planschbecken landen, was nicht immer gelingt. Ein absurdes Setting für die Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Im Kontrastprogramm zu diesem lustigen Spiel stehen die strengen Schwarz-Weiß-Fotos von Arne Schmitt, da er in seinen Architekturaufnahmen Verbindungen zwischen den beiden BASF-Städten Mannheim und Ludwigshafen aufstellt. Gleichzeitig verfolgt er mit Insistenz eine fotografische Serie zum Basalt in der Osteifel, als Grabsteine, Flursteine und Relikte einer traditionellen Steinmetzkunst, in der auch die Gänseliesel auf dem Dorfplatz ihre Berechtigung hat. Den großen Kinosaal nimmt vorrangig der Schlagzeuger und Installationskünstler Raphael Sbrzesny ein, der auf dem Boden und einer Bühne diverse Soldatenkostüme, tragbare Lautsprecher, fantastische Marschtrommeln und jede Menge Versatzstücke und Korsette wie bei einem Spielmannszug ausbreitet. „Eine kleine Krampfmusik“ nennt er seine Performance.

Ausstellung bis 10. November, Grabbeplatz 4.