Klänge einer Ausstellung

Der russische Pianist Lev Vinocour spielt Klaviermusik im Schumann-Saal, die auf Bildern basiert. Die musikalische Darstellung der römischen Katakomben gehört zu Mussorgskys gespenstischsten Kompositionen.

<strong>Düsseldorf. Waren es die klappernden Gerippe in den Katakomben oder die schlotternden Knie des Betrachters, die in den hellen Klavier-Tremoli widerhallten? Über die Frage lässt sich rätseln. Doch gewiss ist die enorme Suggestivkraft und das Unheimliche dieses Moments auf das Klavierspiel von Lev Vinocour zurückzuführen und die Idee im Schumann-Saal, zu Modest Mussorgskys "Bildern einer Ausstellung" und anderen illustrativ-programmatischen Kompositionen die entsprechenden Gemälde zu zeigen. Das Konzert erwies sich als äußerst spannungsvolle Ergänzung zur Ausstellung "Bonjour Russland" im museum kunst palast. Die musikalische Darstellung der römischen Katakomben gehört zu Mussorgskys gespenstischsten Kompositionen. Nicht minder mystisch ist das zugrunde liegende Aquarell Viktor Hartmanns, das schemenhaft zwei schwarz gekleidete schlanke Herren mit Zylinderhüten zeigt, die sich die Gruft ansehen. Ihnen im Rücken steht eine Art Hausmeister mit einer Laterne in der nach unten hängenden rechten Hand. Das Bild erscheint im Schumannsaal auf einer großen Leinwand. Davor sitzt der Pianist, derl nichts verdeckt, da sich der untere Bildrand knapp über seinem Kopf befindet. Bild und Musik verbinden sich zu einer gemeinsamen Sprache. Hinzu kommt Vinocours expressive Spielweise, die das Geheimnisvolle betont. Für die Russen sind Musik und Malerei eng miteinander verbunden. Die wenigsten Komponisten malten aber selbst wie Mikalojus Ciurlionis (1875-1911). Er komponierte einen Zyklus von Mal-Sonaten. Jeweils vier Bilder folgen den Prinzipien der viersätzigen Sonatenform mit Sonatenhauptsatz, langsamem Satz, Scherzo und Finale. Lev Vinocour spielte Ciurlionis’ Erstling, die "Sonate der Sonne". Die Synästhesie erschließt sich nicht unmittelbar, es bedarf einiger Erklärungen. Tonhallen-Intendant Michael Becker übernahm die Moderatio++n und zeigte die Parallelen der Bildern zur musikalischen Form auf. Die Musik selbst klingt hübsch und in Maßen spätromantisch, und nett anzusehen sind die Bilder mit den vielen kleinen Sonnen. Aber einen starken Eindruck hinterlässt diese Mixtur nicht.

Vinocour spielt klangsensibel, aber manchmal übertreibt er auch

Sehr viel mitreißender sind die "Scheherazade" von Rimski-Korsakow in der Klavierbearbeitung von Prokofjew sowie die hoch virtuose orientalische Fantasie "Islamey" Milji Balakirews und erst recht Alexander Skrjabins 9. Sonate mit dem Titel "Schwarze Messe". Das symbolistisch-dämonische Portrait der Seraph (Azrael) von Mikhail Wrubel verstärkt noch einmal die Abgründigkeit von Skrjabins Klangkunst.Vinocours Klavierspiel beeindruckt durch enorme Virtuosität und eine feine Klangsinnlichkeit. Er achtet auf Details und Nebenstimmen, ahmt beispielsweise beim Großen Tor von Kiew den Klang von schweren Glocken nach. Beim Bild des Ochsenkarrens zeigt sich allerdings auch seine Neigung, zu übertreiben und allzu stark zu pointieren - da streift er das Karikaturhafte. Insgesamt aber eine enorme musikalische Leistung.

Musik und bilder

Konzept: Parallel zur Ausstellung "Bonjour Russland" entwirft der Düsseldorfer Pianist Lev Vinocour (Foto) Programme, die Musik und bildende Kunst vereinen. Mal sind es Kostüme zu Diaghilev-Choreografien, die gezeigt werden, mal Gemälde, die zur musikalischen Aussage passen.

Termin: Das zweite und letzte Konzert findet am 5. Januar 2008 im Schumann-Saal statt. Auf dem Programm stehen u.a. Strawinskys "Petruschka" und Debussys "Nachmittag eines Faun". Karten-Telefon 0211/899 61 23.