Klavierspiel aus der Hexenküche
Pianist Evgeni Bozhanov gastiert mitviel Selbstbewusstsein.
Düsseldorf. Der aus Bulgarien stammende Evgeni Bozhanov (27) wurde beim großen Warschauer Chopin-Wettbewerb 2010 schon als Favorit gehandelt, siegte dann aber doch nicht — zur Enttäuschung des Publikums, das der Pianist für sich hatte einnehmen können. Karriere machte er trotzdem, gastierte bei bedeutenden Musikfestivals und konnte mit seiner Chopin-CD den „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“ abstauben. Nun eröffnete er die renommierte Heinersdorff-Reihe „Piano Solo“ mit Werken von Beethoven, Schubert und Chopin und zeigte sich musikalisch äußerst selbstbewusst, vielleicht etwas zu sehr.
Bozhanov sitzt sehr tief, der Klavierhocker ist ganz nach unten geschraubt. Ungefähr so saßen einst auch Horowitz und Glenn Gould. Und an Extravaganz steht Bozhanov denen nicht nach. Schon im Eröffnungsstück, Ludwig van Beethovens „Jagd-Sonate“ Es-Dur op. 31 Nr. 3 stößt er die Türe auf zu seiner pianistischen Hexenküche. Da ist jede Akkordfolge willensmächtig geformt, Läufe perlen flink und leicht hinauf und hinab, jeder Takt unterwirft sich den Wünschen des Interpreten. Während all dieser Grandezza fragt man sich indes beklommen: Wo bleibt Herr Beethoven? Die Komposition selbst verliert in all der pianistischen Herrlichkeit seltsam an Farbe und eigenständigem Charme. Durch den heiteren Finalsatz eilt der Pianist so temporeich, dass man ungefähr so viel davon hat wie von einer schönen Landschaft, an der man im ICE vorbeihuscht.
Unterdessen findet Bozhanov zu subtilen Klangnuancen. Sanfte Stellen in Schuberts 12 Deutschen Tänzen verbreiten dadurch eine Stimmung träumerischer Seligkeit, und Frédéric Chopins Barcarolle Fis-Dur schaukelt sich auf in zauberische Sphären. In den bravourösen Chopin-Walzern neigt der junge Virtuose leider zu sportlicher Ertüchtigung und lässt Manches im Pedalnebel untertauchen. Chopins h-Moll-Sonate überzeugt weniger im formal strengen 1. Satz als mehr in den freieren Folgesätzen. Im Scherzo kann Bozhanov seine pianistische Flinkheit ungestraft zur Schau stellen, und die lyrische Nachtstimmung des langsamen Satzes fängt der Interpret sensibel ein. Das Finale gelingt fulminant — ebenso Debussys „L’Isle Joyeuse“, eines der Zugabenstücke. Bozhanov erweist sich als großes Talent, das aber noch zu wenig Verständnis für die Architektur klassischer Formen aufbringt.