Kunst Kunstverein Düsseldorf: Star-Malerin Ulrike Müller feiert erste Solo-Schau in Deutschland

Düsseldorf · Die österreichische Künstlerin zeigt im Kunstverein ihre erste Solo-Ausstellung in Deutschland. Hier ist sie kaum bekannt, in den USA hingegen ein Star. Doch warum eigentlich?

„Rug (con tacón)“ - „Teppich (mit Schuhabsatz)“ nennt die österreichische Künstlerin Ulrike Müller dieses textile Gemälde. Mexikanische Weber haben es in ihrem Auftrag aus Naturfasern angefertigt.

Foto: Katja Illner

Die österreichische Künstlerin Ulrike Müller (Jahrgang 1971) ist im Tiroler Städtchen Brixlegg geboren, hat zu Beginn der 1990er Jahre an der Akademie der Bildenden Künste Malerei studiert, nahm am renommierten Whitney Independent Study Program (2002-2003) sowie am P.S.1 International Studio Program (2003–2004) in New York teil, was dazu führte, dass sie in den USA geblieben ist. Der Beginn einer erfolgreichen Künstler-Karriere. Renommierteste Museen wie das MoMA oder das Whitney Museum of American Art in New York haben Müllers Werke erworben, sie vertrat Österreich 2010 auf der Biennale in Kairo, mehrere Galerien wie Callicoon Fine Arts in New York oder die Rodeo Gallery mit Dependancen in London und Piräus vertreiben ihre Kunst, sie selbst lehrt am privaten Bard College in New York Malerei.

Ulrike Müller ist vor allem in den USA eine gefragte Künstlerin

Doch gefragt ist Ulrike Müller hauptsächlich in ihrer „zweiten Heimat“, in Europa ist sie kaum bekannt. In ihrem Geburtsland ehrte sie das Museum Moderner Kunst (mumok) in Wien vor drei Jahren immerhin mit einer Einzelausstellung, in Deutschland widmet ihr nun der Düsseldorfer Kunstverein die erste Solo-Schau. Direktorin Eva Birkenstock kuratierte bereits 2012 eine Ausstellung mit Ulrike Müller, seinerzeit im Kunsthaus Bregenz.

Nun könnte man sich natürlich freuen und sagen: Endlich wird die in den Vereinigten Staaten so erfolgreiche Künstlerin auch in Deutschland publik gemacht. Eva Birkenstock legt als Leiterin des Kunstvereins auch Wert darauf, hierzulande noch unbekannte(re) Künstler ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Das ist begrüßenswert und wichtig für eine lebendige Kunstlandschaft. Aber ist der Hype um Ulrike Müller jenseits des großen Teichs berechtigt?

Ulrike Müller malt nicht „klassisch“ mit Pinsel und Leinwand. Sie zählt zu jenen Vertreterinnen der Malerei, die das traditionelle Genre neu interpretieren, es ausweiten in den Raum hinein, Gemälde als Objekte oder Skulpturen begreifen, mit anderen Medien kombinieren oder mit Materialien experimentieren, die man gemeinhin nicht in der Malerei vermutet. So hat Müller sich zuerst den Ausstellungsraum vorgeknöpft, der „in Reinform“ einem Schuhkarton ähnelt. Außen und innen hat Müller die Wände mit speziell gemischten Farben streichen lassen, sie erinnern beim ersten Blick an Anthrazit und Beige.

Müller inszeniert den Ausstellungsraum als Gemälde

In ihren Monotypien (Einmaldrucken) hinterfragt Ulrike Müller Symbole, die gemeinnhin als „weiblich“ gelten, etwa Blumen.

Foto: Thomas Frank

Zudem hat die Künstlerin deckenhohe Holzquader einbauen lassen, die so wirken als gehörten sie zur Architektur der Halle. Mit diesem Raum spielt sie. Ihre „Gemälde“ hängen mal einzeln an den Wänden, mal in Gruppen, mal in Querreihen, mal in vertikalen „Linien“, die bis zur Decke hinaufreichen. Zwischen Solo-Bildern und Bild-Ensembles lässt Müller viele Wandflächen frei, um Farben und Formen zur Wirkung zu bringen. Der ganze Raum soll ein Bild sein. Oder ein „Container“ - dem Ausstellungstitel folgend.

Ein Container für die Gemälde. An sich eine reizende Idee und dank der bemalten Außenwand, an der auch Bilder hängen, auch konsequent umgesetzt. Aber die Assoziation zu einem Container will nicht kommen. Und ist letztlich nicht jeder Ausstellungsraum eine Art Container, der Kunstwerke enthält? Zugegeben: die „Raumkomposition“ wirkt  lebendig, aber besonders außergewöhnlich ist sie letztlich nicht. Gemälde als Räume wurden in der Kunstgeschichte schon spannender inszeniert.

Anstatt Farben benutzt die Künstlerin Emaille und Stahl

Auch die Gemälde scheinen zunächst „aus dem Rahmen zu fallen“. Ihre Serie „Container“ hat Ulrike Müller aus Emaille und Stahl angefertigt. Industriell gefertigte Glaspulver schmilzt Müller in einem Brennofen zu einer harten Emaille-Schicht auf und trägt sie auf Stahlplatten auf. Dreiecke, Kreise oder Trapeze treffen in Blau, Weiß, Grau oder Schwarz aufeinander, reduziert und streng komponiert. Auch ihre allererste Emaille-Arbeit ist zu sehen: Der linke Fuß einer Frau in Stöckelschuh und der dazu gehörige rechte Stöckelschuh, der gerade eine Treppenstufe hinaufsteigt. Alles in Schwarzweiß. Das Motiv entdeckte Müller auf dem Werbeschild eines Schuhmachers.

Die Künstlerin, die sich als sogenannte Queer-Feministin versteht, wertet mit der Emaille ein Material auf, das einst im Schilder- und Schmuckhandwerk verwendet wurde. Also dem Kunsthandwerk, das eher Frauen vorbehalten war. Zweifellos ein interessanter „Bild-Stoff“, aber dabei bleibt es bei Müller auch. Die Motive selbst vermögen keine Magie zu entfachen.

Auch bei ihren „Rugs“ (“Teppichen“) sind es das Material und die Verfahrensweise, die hervorstechen. Textilien werden zu „Farben“, genauer: Naturfasern. Kreiert von zapotekischen Webern in Mexiko. Weben - und damit auch ein meist von Frauen betriebenes Kunsthandwerk - wird zur Malerei. Zudem hinterfragt Müller das Bild vom Künstler als genialen Schöpfer, indem sie den Teppich anfertigen lässt. Das Motiv, das sie selbst entworfen hat, hingegen erscheint nicht allzu originell: wieder ein Stöckelschuh, eingerahmt von Trapezen und Rechtecken. Die Farben: rot, grün, weiß und beige.

Neu im Kunstverein sind Müllers sogenannte „Monotypien“ (Einmaldrucke). Eine spannende Technik, die Müller dazu nutzt, „weibliche“ Motive zu hinterfragen: Blumen oder Vasen verschwimmen im Zusammenspiel mit geometrischen Formen zu abstrakten Gebilden. Auch in Titeln wie „Blaue Blume“ - eine Anspielung auf ein zentrales Symbol der Romantik - schwingt Ironie mit. Aber emotionale Feuerstürme bleiben beim Betrachter aus.

Bleibt noch Müllers neue Collagen-Serie, die sie „Cut and Paste“ (“Ausschneiden und einsetzen“) nennt. Kleine gerahmte Formate, die sie etwa am Wandrand eines eingebauten Holzquaders bis zur Decke hochlaufen lässt. Kompositionen aus gemalten und ausgeschnittenen Knäueln, Stäben oder Kugeln. Minimalistisch arrangiert, so dass viel vom weißen Papier frei bleibt. Allerdings auch nichts, was man nicht schon gesehen hätte.

Ulrike Müller ist eine Künstlerin, die mit ungewöhnlichen Techniken hantiert, aber damit keine berührenden Kunstwerke schafft. Warum sie in den amerikanischen Kunst-Szene so gut ankommt, bleibt rätselhaft. Hierzulande blieb sie bislang jedenfalls nicht zu Unrecht unentdeckt.

Info: „Ulrike Müller - Container“, noch bis 17. Februar im Kunstverein. Adresse: Grabbeplatz 4.