„La Bohème“: Genuss für Augen und Ohren
Galavorstellung von „La Bohème“ mit Anja Harteros und Teodor Ilincai im ausverkauften Haus.
Düsseldorf. Oper zum Dahinschmelzen: Man nehme Puccinis gefühlsbetonte La Bohème, eine sinnliche Inszenierung wie die von Robert Carsen und setze in den beiden Hauptrollen Sänger der Spitzenklasse ein. Heraus kommt lebendiges Musiktheater oberster Genussklasse. Der Freundeskreis der Deutschen Oper am Rhein ermöglichte die Starbesetzung mit Anja Harteros (Mim) und Teodor Ilincai (Rodolfo). Der junge rumänische Tenor sprang sehr kurzfristig für den grippeerkrankten Massimo Giordano ein und bewegte sich so sicher in der Inszenierung, als hätte er etliche Proben mitgemacht.
Den Rodolfo hat er bereits vor zwei Jahren am Londoner Opera House of Covent Garden gesungen und bringt entsprechende Erfahrung mit. Seine Darstellung wirkt überaus geschmeidig und natürlich. Er ist ein Schauspieler-Typ auf der Opernbühne und nicht der singende Kleiderständer. Stimmlich lässt es Ilincai langsam angehen. Er haushaltet mit seinen Fähigkeiten. Das senkt seine berühmte Auftrittsarie Che gelida manina mit ihrem ekstatischen hohen C in die Unscheinbarkeit. Doch steigert er sich von Akt zu Akt enorm.
Gleichwohl wird er überstrahlt von Anja Harteros. Die deutsch-griechische Sängerin besitzt eine ziemlich starke Bühnenpräsenz und scheint eher prädestiniert für Königinnen-Rollen. Für ein armes lungenkrankes Mädchen wirkt sie fast zu glamourös trotz des schlichten Kostüms. So sieht es mehr so aus, als müsse die schutzbedürftige Mim auf den Rodolfo aufpassen als umgekehrt. Doch Oper war noch nie rational und vollkommen logisch. Man ist daran gewöhnt, die eine oder andere Unwahrscheinlichkeit zu übersehen. Insbesondere bei Puccini geht es vorrangig um Musik, Schöngesang und starke Emotionen. Und Frau Harteros verfügt über ein so kostbares Timbre voller Farben und Schattierungen, dass man sich dem Ohrenkitzel der Sirene vorbehaltlos hingibt. Zum bewegenden audiovisuellen Höhepunkt wird Mims Sterbeszene am Schluss in einem Meer aus gelben Narzissen.
Ohne die mal wieder bestens aufgelegten Düsseldorfer Symphoniker wäre der Abend nur halb so schön gewesen. Generalmusikdirektor Axel Kober zeigte einmal mehr, dass das Orchester unter seiner Leitung immer eine ganze Klasse besser klingt. Ein hellwacher, farbenreicher und rhythmisch geschärfter Puccini mit schönem klanglichem Schmelz.