Lyrische Berichte einer Lebensreise
Wilhelm Gössmann legt „Wann die Seele aufklart“ vor.
Düsseldorf. Wilhelm Gössmann ist neben dem Gelehrten und Emeritus der Heinrich-Heine-Universität vor allem auch Schriftsteller und Dichter. Nach den Reflexionen "Ohne Religion kein Beten?" legt er nun das Büchlein "Wann die Seele aufklart" vor. Den Inhalt nennt er "lyrische Erfahrungen".
Was aber bedeuten "wann es" und "aufklart"? Es sind Worte aus früherer Zeit, die Gössmann wohl mit Bedacht gewählt hat. Denn lyrische Erfahrungen meinen ein inneres Erleben, das sich den Bedingungen strikten zeitlichen Ablaufs entzieht. Ein "wenn" löst überdies eine geradezu utilitaristische Assoziationskette aus, ein Denken zielorientierten Strebens.
Nichts könnte dem Philosophen Gössmann ferner liegen. Das lässt auch das Verbum "aufklaren" wissen. Man erinnert sich allsogleich an den Schriftsteller Adalbert Stifter und seinen Roman "Der Nachsommer" von 1857 und seine ausgedehnten lyrischen Naturschilderungen. Da ist es der Sommerhimmel, der nach einem Gewitter "aufklart", wann die Besänftigung endlich obsiegt. Oder es ist der Morgen: Frühnebel steigen, und die Atmosphäre enthüllt ihre ungetrübte, reine Schönheit.
Der Band ist gegliedert in sechs Kapitel zu je 14 Gedichten. In einem sehr kurzen Vorwort kündet der Autor unumwunden, worum es geht: innere Heiterkeit. Wie diese denn "das schönste Wort für Poesie, Religion und Kunst" sei. Und das wohlige innere Glück des Bei-sich-selberSeins empfindet er unabhängig von Wetterlaunen, Alleinsein, zu Hause, in Griechenland, Paris, in den Kathedralen von Chartres und Reims, stets hineinlauschend in den "Klangraum der Seele".
Freilich, Trauer und Seelenqualen sind ihm nicht fern. Aber Gössmann überrascht den Leser auch mit theologischen Erörterungen: "Wenn das Ich / meiner Seele /unsterblich / ist / muss das Schuldhafte / in ihr sterben / und das Gute aufleuchten" (III,4).
Ohne Zweifel ist Gössmann mit diesen Texten auf den Spuren des böhmischen Mystikers Johann Gottlieb Seume (1763-1810), der auch als kulturhistorischer Reiseschriftsteller gilt. Von Seume stammt die Liedzeile: "Wo man singet, / wird kein Mensch beraubt, / Bösewichter haben keine Lieder." Gössmanns Dichtungen sind lyrische Berichte von der Reise eines Lebens. Wilhelm Gössmann: "Wann die Seele aufklart." 105 Seiten, Grupello Verlag, Klappenbroschur, 12,90 Euro.