Düsseldorf Martin Schläpfer: „Ich wollte nicht hinschmeißen wie andere“

Martin Schläpfer gibt die Ballettdirektion ab und konzentriert sich stärker auf die künstlerische Arbeit.

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Herr Schläpfer, der Wechsel auf der Führungsebene des Ballett am Rhein soll Ihnen mehr Freiraum verschaffen. Fühlten Sie sich beengt?

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Martin Schläpfer: Ich bekam schlechte Laune, weil ich so lange in Sitzungen hockte, bis mir nur noch zwei Minuten blieben, um mich auf die nächste Aufgabe, die kreative Aufgabe, vorzubereiten. Als ich merkte, dass ich den Menschen gegenüber zunehmend kurz angebunden reagierte, wusste ich: Damit ich bleibe und es weitergeht, muss ich mich bewegen.

Das klingt nach Notbremse.

Schläpfer: Ich denke schon lange darüber nach, mich stärker auf die künstlerische Arbeit zu konzentrieren. Das war schon in Mainz der Fall. Aber erst einmal muss man sich beweisen und etwas leisten. Jedoch habe ich durch meine Karriere gespürt, dass es in eine andere Richtung gehen muss. Ich arbeite in einem gefährlichen Business: Je höher man steigt, umso besser muss man nach sich schauen. Und ich wollte nicht hinschmeißen, wie es andere Choreographen machen. Also habe ich mich gefragt: Wie kann es in den vorhandenen Strukturen eine Zukunft geben? Eine Zukunft mit mir. Aber mit mir — und mit Lust.

Was fangen Sie mit der neuen Freiheit an?

Schläpfer: In der kommenden Spielzeit werde ich zwei Stücke kreieren und ein Stück aus meiner Zeit mit dem ballettmainz neu einstudieren. Ich möchte auch wieder mehr unterrichten und werde intensiver mit der Compagnie arbeiten. Man hat es ihr — meiner Meinung nach — angesehen, dass das länger nicht der Fall war. Sie ist ,ballettiger’ geworden. Das ist vielleicht sauberer und schöner. Jedoch fehlte mir die Risikofreude. Auch möchte ich Werke mit anderen wichtigen Compagnien einstudieren. Vielleicht mache ich ja auch mal ein ,Dornröschen’. Aber dafür brauche ich eben Zeit. Es ist schön, es geht mir einfach besser.

Sie meinen Ihr Seelenleben?

Schläpfer: Ja. Das Jahr 2015 war hart. Bogdans Tod (der hochtalentierte Tänzer starb mit 34 an der Nervenkrankheit ALS, Anm. d. Red.), das neue Probenzentrum, meine Rückkehr als Tänzer auf die Bühne. Dann die Wiederaufnahme früherer Werke, das kostet viel Kraft. Mehr noch, als ein neues Stück einzuarbeiten. Und ich möchte auf keinen Fall noch einmal eine Zeit erleben wie diejenige, als mein Mahler entstand. Ich habe Gustav Mahlers 7. Sinfonie in fünf Wochen entwickelt. Fünf Wochen! Was, wenn es kein Erfolg geworden wäre?

Remus Suchean a ist als Ballettdirektor der neue Mann an Ihrer Seite. Was macht ihn zum idealen Partner?

Schläpfer: Remus ist seit 16 Jahren bei mir. Viele Jahre als Tänzer, dann als Co-Ballettdirektor. Er weiß, was er kann. Ist bescheiden, ohne sich im falschen Sinne zu unterschätzen. Mir war wichtig, dass wir mindestens drei Jahre zusammenarbeiten, bevor mein Vertrag endet.

Das ist 2019 der Fall. Denken Sie schon an dieses Datum?

Schläpfer: Natürlich. Aber es gibt noch keine Entscheidung und auch kein Angebot.

Wer ist der Chef? Remus Suchean a oder Martin Schläpfer?

Schläpfer: Remus. Ich hoffe, dass ich künftig weniger Chef und mehr Martin Schläpfer sein kann. Um nicht zu stagnieren, muss ich mich als Mensch ausgestalten können.

Am 18. März steht die nächste Ballettpremiere an. Nach einem Jahr gibt es wieder eine Uraufführung von Ihnen, mit Klavierkompositionen von Bach und Beethoven.

Schläpfer: Beethoven ist mein allerliebster Komponist. Seine 12 Variationen über das Menuett „à la Vigano“ sind leicht und unbemüht. Beethoven war immer menschlicher als Bach. Er glaubt vielleicht an das Göttliche im Menschen, aber nicht an Gott. Er ist mit seiner Musik viel mehr auf der Erde, Bachs Werk hingegen ist erhöhter, es gibt den Hinweis auf die Existenz Gottes. Ich denke, es kann spannend sein, die beiden Komponisten einander gegenüberzustellen.