Düsseldorf Peter Hein: „Wir sind heute verkappte Comedians“
Mit Fehlfarben hat Peter Hein in den 70er Jahren in Düsseldorf den Punk erfunden. Heute erscheint sein neuestes Album.
Düsseldorf. Peter Hein ist neben Campino der zweite Prototyp des Punks aus Düsseldorf. Mit den Fehlfarben sorgte er in den 70ern rund um den Ratinger Hof für Furore. Jetzt hat die Band ein neues Album veröffentlicht, auf dem Hein einmal mehr sarkastisch bis zum Anschlag ist.
Herr Hein, in Ihrem Song „Der Dinge Stand“ richtet sich die erste Textzeile an die stetig auf ihr Handy blickenden App-Süchtigen („Mit der App in der Hand unters Auto gerannt“). Welche Apps haben Sie auf ihrem Mobiltelefon?
Peter Hein: Gar keine. Mein Handy ist vollkommen von Apps befreit.
Nicht mal eine Wetter-App?
Hein: Nein. Die stimmt doch eh nicht. Ich habe alles deaktiviert. Ich benutze mein Handy nur zum Telefonieren. Und ich schmeiße auch keinem der großen Mobilfunkanbieter Geld in den Rachen. Das sind doch alles Verbrecher. Ich nutze, seitdem ich in Wien lebe, ausschließlich österreichische Prepaid-Karten. Die kosten kaum was. Und die bekommt man überall. Es gibt nur achteinhalb Millionen Österreicher — aber geschätzte 38 Fantastilliarden österreichische Mobiltelefone.
Nutzen Sie das Internet?
Hein: Eigentlich nur für Blödsinn, wie viele andere auch.
Zum Beispiel?
Hein: Ich gucke mir die Motorsport-Ergebnisse an. Oder ich höre Internet-Radio. Samstags zum Beispiel. WDR 2. Da informiere ich mich über die Zustände in Deutschland, höre die Fußballreportagen und denke: „Och, schön. Das ist wie früher.“ Nur Kurt Brummes Stimme fehlt.
Ihre Platte heißt „Über Menschen… unter Tieren“. Das sagt nichts Gutes über den Mensch. Sind Tiere vielleicht die glücklicheren Lebewesen auf der Erde?
Hein (schweigt ein paar Sekunden, imitiert dann ein Gespräch unter Schweinen): „Moin.“ „Ja. Moin.“ „Und: Was gibt’s Neues?“ „Guck’ mal: Kevin. Der wird gerade gegessen.“ „Oh… Das gibt einem doch zu denken.“ (Hein schweigt wieder ein paar Sekunden) So ähnlich ist das mit den Tieren. (Die nächste Pause) Nein: Es hat zu tun mit dem Cover. Der Titel passt einfach gut zu dem Bild, auf dem ja Gänse zu sehen sind, die durch die Stadt gehen.
Gesellschaftskritik wird jedenfalls einmal mehr groß geschrieben auf dem Album. Die Texte sind extrem sarkastisch.
Hein: Natürlich. Wir sind ja nicht mehr im Schwermut-Geschäft. Wir als Musiker sind ja verkappte Comedians heutzutage.
Lohnt es sich noch wegen irgendwas auf die Straße zu gehen — oder hat das eh’ keinen Sinn mehr?
Hein: Nein. Das habe ich aber immer gesagt: Ich war es nie, der auf die Straße gegangen ist! Das waren immer die anderen.
Wie sieht es mit Entscheidungen innerhalb der Band aus - werden die basisdemokratisch oder von Ihnen im Alleingang gefällt?
Hein: Normalerweise mache ich Sachen wie Songtexte und auch Plattencover lieber alleine und entscheide das selbst. Die Band ist nur für das Musikalische zuständig. Aber das geht halt nicht immer so, wie man das möchte. Das ist ja das Beschissene mit der Demokratie: Wenn du eine Band hast, musst du die auch mal ranlassen, damit du sie bei Laune hältst.
Sie stehen bei eine kleinen Indie-Label - Tapete - unter Vertrag, wie viele auch renommierte Bands heutzutage. Die Zeit der großen Plattenfirmen scheint vorbei zu sein.
Hein: Ja. Aber da gibt es ja auch nur noch zwei oder so. Und die machen alle das Gleiche. Deshalb kaufe ich ja privat auch nur noch alte Platten.
Auf dem Flohmarkt?
Hein: Nee, Flohmarkt ist zu langweilig. Da findest du ja doch immer nur Alan Parsons Project oder „Stimmungshits 17“. Ich kaufe Second-Hand-Vinyl oder CDs für wenig Geld im Massensortimenter.
Hier und da kommen Sie auf Ihrem neuen Album als Griesgram rüber und singen selbst über sich: „Ich alter Sack!“ War früher alles besser?
Hein: Ja. Da war nämlich schon alles scheiße und man konnte schön drüber motzen. Heute ist nicht mehr alles scheiße. Und das ist doch scheiße. (lacht)
Warum sind Sie damals aus Düsseldorf weggegangen?
Hein: Es war ja sonst keiner mehr da von früher. Aber ich bin immer wieder gerne mal in der Altstadt und bestelle mir im Brauhaus Alt und Mettbrötchen.
Interessieren Sie sich noch für die aktuelle Punkszene, als deren Vorreiter die Fehlfarben hierzulande ja gelten?
Hein: Nein. Da gibt es nichts Interessantes für mich.
Auch weil der Punk - siehe Die Toten Hosen und „Tage wie diese“ - mittlerweile im Bierzelt angekommen ist?
Hein: Nein. Und stünde ich im Bierzelt, würde ich denken: „Ist doch besser als Peter Maffay.“
Sie haben mit „Ein Jahr (Es geht voran)“ einst selber einen Song geschrieben, der von der Masse der Hörer vereinnahmt wurde. Da können sie die Lage der Toten Hosen ganz gut nachvollziehen, oder?
Hein: Schon. Aber mir bleibt es zumindest erspart, dass mich die Kanzlerin anruft.