Ausstellung Sammler Lühdorf hatte sein Aha-Erlebnis in der Nazi-Schau
Die grafische Sammlung des Museums Kunstpalast am Ehrenhof zeigt die Schenkung kostbarer Expressionisten-Blätter.
Düsseldorf. Hans Lühdorf (1910-1983) hatte gerade sein zweites Staatsexamen als Jurist hinter sich, als er mit 27 Jahren in die Ausstellung „Entartete Kunst“ geriet. Hitler versuchte bekanntlich, die moderne Kunst mit dieser berüchtigten Schau zu diffamieren. Doch das Gegenteil war der Fall. Er fing Feuer. Immer wieder zog es ihn in diese Schau, fing an zu sammeln. Was dabei herauskam, ist im Museum Kunstpalast zu bewundern. Eine hochkarätige Schau expressionistischer Grafik, darunter Arbeiten von Klee, Marc, Nolde, Kirchner und sogar ein Aquarell von Kandinsky. Insgesamt 70 Werke schenkte er ans Kunstmuseum, das ihm jetzt posthum eine Ausstellung widmet.
Lühdorf muss ein ungewöhnlicher Mensch in einer schrecklichen Zeit gewesen sein. Der promovierte Jurist, der sich eher für alte Kunst interessierte, kam eher aus Neugier in die Schau der „Entarteten“, zunächst in München, dann in Düsseldorf. Dem amtlichen Befehl der Aufseher, „weiter zu gehen“, gehorchte er nur bedingt. Er konnte nicht das Risiko eingehen, als Liebhaber eingestuft zu werden, denn das war gefährlich. Also wartete er draußen ein Weilchen, stellte sich dann wieder an, um noch einmal durchzugehen. Beim fünften oder sechsten Mal sah er bekannte Gesichter. Dann genügte ein rascher, nervöser Blick. Aber zugleich war Teilnahmslosigkeit gefordert. Denn jedes dieser Gesichter in der „Entarteten“ konnte zur Gestapo gehören. Als der Kartenabreißer und der Aufseher ihn mit gewissen Zeichen des Wiedererkennens ansahen, wagte er es nicht mehr, noch ein elftes Mal zu kommen.
Diese und ähnliche Geschichten zeichnete Günther Rehbein auf. Er war vor dem Krieg Volontär im Kunstmuseum. Und nun geschah das nächste Wunder: Lühdorf sammelte gezielt für das Haus am Ehrenhof. Und das Museum revanchierte sich, indem die damalige Grafik-Restauratorin seine Erwerbungen im Format der eigenen Bestände montierte und die Sekretärin des Direktors den Schatz als ihr persönliches Eigentum mitsamt dem Museumsbestand auslagerte und über den Krieg hinaus rettete.
Rehbein, der später für die Volkshochschule arbeitete und in den „Düsseldorfer Heften“ schrieb, weihte ihn ein, informierte ihn über Künstler, lehrte ihn sehen. Und Lühdorf begann aus dem einzigen Grund zu sammeln, um die Kunstwerke durch eine mit Blindheit geschlagene Zeit zu retten. Zunächst erstand er die Blätter über die Düsseldorfer Galerie Alex Vömel, später über die Künstler direkt. Einmalige Kostbarkeiten befinden sich darunter.
1964, zum 80. Geburtstag von Karl Schmidt-Rottluff und zum 100. von Alexej von Jawlensky, schenkte Lühdorf dem Kunstmuseum 70 Werke. Aber ohne Trommelwirbel. Die Sammlung, die bis 1945 entstand, wurde anonym abgegeben. Lühdorf blieb stets im Hintergrund.