Open-Air-Spektakel in Düsseldorf Theater ein bisschen normaler

Düsseldorf · Mit einem Füllhorn an Premieren startet das Schauspielhaus in die Saison. Erste Kostproben gab es am Wochenende bei gelöster Stimmung auf dem Gustaf-Gründgens-Platz.

Die Mäuse geben einen Vorgeschmack auf die Spielzeit vor dem Schauspielhaus.

Foto: Bernd Schaller/Schauspielhaus

Chillige Musik weht über den Gustaf-Gründgens-Platz, während sich die Tribüne zur Spielplan-Präsentation des Schauspielhauses mit Zuschauern füllt. Aus dieser Perspektive sieht die geschwungene Silhouette des Theaters besonders elegant aus. Es naht Intendant Wilfried Schulz, lässt aber den menschlichen Mäusen aus dem Kinderstück „Der überaus starke Willibald“ den Vortritt. Die Parabel um das Entstehen autoritärer Systeme, um Macht und Ohnmacht wird nach etlichen Open-Air-Aufführungen in das Junge Schauspiel an der Münsterstraße umziehen. Kaum sind die Mäuse weggehuscht, späht Wilfried Schulz über die Reihen: „Ein super Anblick. Gut, dass man Lebendigkeit spürt, aber die Achtsamkeit nicht vergisst.“

Bis Ende September werde man in den Häusern die halbe Belegung und das Schachbrettmuster beibehalten. „Anderthalb Jahre ohne Theater waren deprimierend, Theater existiert nur im Gegenüber“, sagt der Intendant. „Ich bin froh, dass wir wieder beisammen sind. Wir starten durch in der Hoffnung, die Welt wird wieder ein bisschen normaler.“ Man habe in der stillen Zeit viel gearbeitet, einige Stücke reiften bis zur Generalprobe, gelangten wegen des Lockdowns aber nicht mehr zur Aufführung. Daher würden die Besucher jetzt mit einem Füllhorn von Premieren überschüttet.

Die Kostproben machen Appetit. Los geht es mit einer heiteren Szene aus dem dramatisierten Roman „Kleiner Mann, was nun“ von Hans Fallada. Einem Berliner Ehepaar (Lea Ruckpaul, André Kaczmarczyk) wird ein Kind geboren. Er, entsetzt: „Ein uraltes, lackrotes, hässliches Gesicht.“ Sie, entzückt: „Isser nich süß, unser Murkel?“

Das Große Haus eröffnet mit „Orpheus steigt herab“ von Tennessee Williams. Sebastian Tesselow singt zur Gitarre und erzählt von seiner Rolle als Musiker: „Er will seine schlimme Vergangenheit hinter sich lassen, doch das neue Leben gestaltet sich schwierig.“ Vor allem die Frauen der amerikanischen Kleinstadt projizieren ihre Sehnsüchte auf den Fremdling aus den Sümpfen.

Dann tun sich oben an der Fassade des Theaters drei Fenster auf, aus jedem lugt einer der Physiker aus Dürrenmatts gleichnamigem Stück, das die Frage aufwirft: Was ist normal, was verrückt? Dem Himmel nah entspinnt sich ein Gespräch – schöne Idee.

Kein klassisches Theater, aber ein hochspannendes Projekt ist „Reality Check – eine Verschwörungssimulation“. Hier werden die Zuschauer zu aktiven Teilnehmern einer Studie. Felix Krakau, Autor und Regisseur: „Wir machen einen Rundgang durch Hofgarten und Stadt, um eine Düsseldorfer Verschwörungsgeschichte zu suchen und zu enttarnen.“

Der musikalische Abend „Alice“, konzipiert von André Kaczmarczyk, werde den Spielplan im Herbst dominieren, vermutet Wilfried Schulz. Nach dem hinreißenden Song mit der roten Majestät (Claudia Hübbecker) und dem weißen Kaninchen (Kilian Ponert) glaubt man ihm das sofort. Stefan Fischer-Fels stellt noch seinen Spielplan fürs Junge Schauspiel vor, der Intendant den neuen Leiter des bürgernahen Stadtkollektivs, Bassam Ghazi. „Wir fangen jetzt einfach an“, sagt Wilfried Schulz am Schluss und lächelt fein. Wenig später beginnt die zweite Präsentation. Neue Besucher, ähnliches Programm.