Zukunft der Oper Opern diskutieren Umgang mit Krise

Die Rheinoper Düsseldorf war Gastgeber einer Podiumsveranstaltung bei der virtuellen Herbsttagung von Opera Europa.

Regisseurin Ilaria Lanzino bei der Probe von „Der Kaiser von Atlantis“. Für sie stellen Stream und Live-­Auftritt ganz unterschiedliche Anforderungen.

Foto: Deutsche Oper am Rhein / Daniel Senzek

Wie viele andere Kulturveranstaltungen konnte auch die jährliche Herbstkonferenz von Opera Europa nur online stattfinden. Unter dem Motto „The survival of the fittest“ luden sieben Gastgeber zu Diskussionen und Austausch ein. Neben den Opernhäusern in Como, Helsinki, Madrid, Moskau, Stockholm und Zagreb war am zweiten von drei Tagen die Deutsche Oper am Rhein Ausrichter. Am Beispiel der Oper „Der Kaiser von Atlantis“, kostenlos als Stream über operavision.eu abrufbar, moderierte die Geschäftsführende Direktorin Alexandra Stampler-Brown die englischsprachige Runde „The relationship between live and online performances“.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Live-Erlebnis und Streaming? Wie beeinflussen digitale Möglichkeiten das Verhalten des Publikums? Und was davon könnte überdauern, wenn die Pandemie verschwunden ist? Gesprächspartner im Rangfoyer des Düsseldorfer Opernhauses waren Ilaria Lanzino, Regisseurin von „Der Kaiser von Atlantis“, Kimberley Boettger-Soller aus dem Ensemble, die den Part des Trommlers singt, und Marketing-Chef Jens Breder. Zugeschaltet wurden Filmemacher Oliver Becker und Luke O‘Shaughnessy von Operavision. Intendant Christoph Meyer konnte nicht teilnehmen, er war krank, „kein Corona“, beschwichtigte Alexandra Stampler-Brown.

Ilaria Lanzino berichtete von den „Atlantis“-Proben, die im März begonnen hatten und drei Wochen später gestoppt wurden. Im September konnte das Werk dann schließlich auf die Bühne gebracht werden, wenn auch unter stark veränderten Bedingungen. „Ich musste mein Konzept allein wegen der Abstandsregeln zu 80 Prozent überdenken“, erzählte die Regisseurin: „Erst waren es sechs Meter, dann immer noch drei. Da bestand das Risiko, es könne zu statisch werden.“ Sängerin Kimberley Boettger-Soller musste sich statt mit sechs echten Kindern mit Babypuppen begnügen, „ich versuchte zu vergessen, was vorher war und offen zu sein“. Ungewohnt sei auch die Begleitung der Kamera für die Aufzeichnung bei Operavision gewesen. „Den Umgang damit haben wir in unserer Ausbildung nicht gelernt, da müssen wir Sänger umdenken“, sagt sie. „Es war natürlich eine große Ehre für mich, auf dieser Plattform vertreten zu sein. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis ich mir das anschauen konnte. Jeden Schritt und jeden Ton von mir habe ich kritisch betrachtet. Ein Genuss war es für mich nicht, nur professionelles Interesse. Und nicht vergleichbar mit dem Live-Erlebnis.“ Ähnlich drückt es Ilaria Lanzino aus: „Es gibt bestimmte Rituale in der Oper, in der Dunkelheit entsteht eine kollektive Energie, die lässt sich nicht künstlich herstellen.“ Sie hat gespürt, wie unterschiedlich ge­streamte Opern auf sie wirken: „Tragik funktioniert nicht, Komik schon. Ich habe online nie geweint, aber sehr oft gelacht.“

„In den USA wird das Zuschauen oft zum Gemeinschafts-Event“

Diskutiert wurde auch über die verschiedenen Medien, mit denen die Zuschauer den Stream verfolgen. Man müsse an alles denken, vom Smartphone bis zum Flatscreen mit Dolby Surround. Oliver Becker, der die Aufzeichnung leitete, weiß von unterschiedlichen Reaktionen: „In den USA wird das Zuschauen oft zum Gemeinschafts-Event mit Freunden. In manchen Kommentaren hieß es, wir haben nur kurz reingeguckt, waren gefesselt und sind dabeigeblieben. Eine Frau berichtete, sie habe die Oper beim Gassigehen mit ihrem Hund gesehen. So kommt Kultur ins tägliche Leben.“ Luke O‘Shaughnessy berichtet von einer Online-Verweildauer zwischen 60 Sekunden und mehreren Stunden: „Wir sind keine Bücherei, in der die Sachen ewig bleiben. Wir öffnen ein kleines Fenster für eine bestimmte Zeit.“

Kommunikations-Chef Jens Breder outete sich als jemand, der im Stream selten bis zum Ende durchhält, „ich bin ein großer Freund von Gesellschaft“. Die Oper, schon länger digitalen Formen zugewandt, habe kräftig aufgerüstet. „Wir starteten viele Experimente. Langfristig geht es aber darum, seriöse Strategien zu entwickeln.“ Sicher werde es Kombinationen geben. Wie viel Digitalisierung kann sich die Regisseurin für die Zukunft vorstellen? „Das wird sich mischen“, glaubt auch sie. „Wir sollten aber nichts erzwingen. Es kann nur dann gut gehen, wenn es dramaturgisch und künstlerisch passt.“