Theater: Schauspiel ist nicht erste Liga
Intendantin Amélie Niermeyer freut sich über viele Besucher. Noch fehlen unter ihrer Führung aber künstlerische Auszeichnungen.
Düsseldorf. Gute Nachrichten aus dem Düsseldorfer Schauspielhaus: Seit Beginn der Spielzeit haben 15 Prozent mehr Besucher eine Aufführung am Gustaf-Gründgens-Platz gesehen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Mehr als 200 000 waren es 2007/2008 insgesamt. Damit kann Amélie Niermeyer zufrieden sein. Oder nicht? Künstlerische Auszeichnungen fehlen ihr noch.
Jedes Jahr im Februar etwa wählt eine Jury zehn Produktionen der deutschsprachigen Theaterszene aus. Eine Einladung zum Berliner Theatertreffen ehrt nicht nur Regisseur und Ensemble, auch das Haus spielt sich damit in die erste Liga.
Düsseldorf ist in diesem Jahr wieder nicht dabei. Das schmerzt schon ein bisschen. Zumal Karin Beier, seit zwei Spielzeiten Intendantin am Kölner Schauspielhaus, sich zum zweiten Mal nacheinander über den Ruf nach Berlin freuen kann.
Niermeyer gibt sich kollegial: "Ich freue mich für die Kollegen, dass Katie Mitchells erste Inszenierung in Köln eingeladen wurde und hätte das auch Karin Henkel für ihre Düsseldorfer Produktion ,Der Fall der Götter’ sehr gegönnt." Eine solche Einladung sei immer eine Auszeichnung, sagt sie. Das heiße aber nicht, dass unter allen anderen Inszenierungen der rund 150 Stadt-, Staats- und Landestheater keine weiteren bemerkenswerten mehr zu finden seien.
Kulturdezernent Hans-Georg Lohe stellt sich hinter seine Intendantin: "Das darf man nicht überbewerten. Und die Verkaufszahlen bei uns sind sehr gut." Künstlerisch möchte Lohe die Arbeit Niermeyers nicht diskutieren. Zu Spekulationen, sie werde ihren fünfjährigen Vertrag, der mit Ablauf der Spielzeit 2010/2011 endet, nicht verlängern, gibt er die Ansage: "Das ist vertraglich geregelt. Bis Ende Juni gibt es Gespräche mit Frau Niermeyer. Dann wird entschieden."
Das letzte Mal hat Düsseldorf unter Anna Badora mit Jürgen Goschs "Macbeth" (2006) und "Sommergäste" (2004) nach Berlin reisen dürfen. Und davor lange nicht. Interessant ist, dass - blickt man in die Geschichte der Einladungen von Düsseldorfer Inszenierungen nach Berlin - der Name der heutigen Kölner Intendantin auftaucht: 1996 und 1994 wurde Karin Beier mit Shakespeare-Produktionen am hiesigen Theater eingeladen.
Auch im jährlichen Kritikervergleich der Theaterhäuser in NRW konnte sich Düsseldorf in den vergangenen Jahren nicht bewähren. 2008 schaffte es wiederum Beier in Köln zu punkten. Mit eigenen, ausgezeichneten Inszenierungen ("Die Nibelungen", "Das goldene Vlies") steht sie ebenso für eine neue Ära des Theaters wie mit mutigen Experimenten im Spielplan. Und eben diese haben die Juroren des Berliner Theatertreffens überzeugt. Ein Vergleich, den sich Düsseldorf gefallen lassen muss.
Vielleicht eröffnet die neue Spielstätte Central am Hauptbahnhof die Möglichkeit, auch in Düsseldorf neue Theaterformen auszuprobieren. Im März werden die Räume eingeweiht und schon im kommenden Jahr muss Niermeyer wegen der Sanierung im Großen Haus ihre Produktionen hierher verlagern. Die Besucherzahlen lassen sich damit sicherlich nicht steigern. Aber eine künstlerische Auszeichnung wäre ja auch mal sehr schön.