Tonmeister des Schauspielhauses: „Helmut, häng noch ’nen Waggon dran“

Der Tonmeister des Schauspielhauses geht nach 41 Jahren in Rente — die Spleens der Künstler vermisst er bereits.

Düsseldorf. Die schönste Zeit im Leben von Helmut Klöcker ist keine exklusive Angelegenheit von ein paar Tagen. Es ist in diesem besonderen Fall eine Sache von Jahrzehnten. Vor 41 Jahren hat Klöcker als Tonigenieur im Schauspielhaus angefangen, am 8. Juli ist sein letzter Tag, dann nimmt er seinen Resturlaub und fährt nach Paris. Mag sein, dass seine professionelle Beschäftigung mit der Akustik der Grund dafür ist, dass ihm, sobald er den Namen eines Intendanten oder Regisseurs liest, sofort eine passende Geschichte in den Ohren klingt. Obendrein noch eine, die er in 99 Prozent der Fälle selbst miterlebt hat. Belitz, Canaris, Badora, Stroux, Haneke — Klöcker hat sie alle erlebt. „Und jedes Mal ging die erste Premiere unter einem neuen Chef daneben“, erinnert er sich. „Es muss also niemand panisch werden.“

Klöcker, der mit sechs Geschwistern aufwächst, lernt als Kind Klavier. Er genießt „gemütlichen“ Unterricht bei einem Lehrer aus dem Ort und spielt „zumeist schön klingende Stücke“. Später studiert er Ton und Bild in Düsseldorf und fängt 1972 mit 24 Jahren am Schauspielhaus als Toningenieur an, drei Jahre später wird er Abteilungsleiter, denn seine Musikalität und sein technisches Verständnis bilden eine ideale Symbiose.

Klöcker, der Westfale, kommt an in der Welt der überspannten Künstler. „Ich habe mich oft gefragt, wie diese vielen Halb- und Totalverrückten zurecht kommen. Im Alltag untauglich, aber auf der Bühne Genies.“ Regisseur Werner Schroeter zum Beispiel sei nach einer langen Nacht zur Probe von „Dona Rosita“ erschienen und an seinem Platz gleich wieder eingeschlafen. „Nach der ersten Szene aber hat er die Schauspieler kritisiert“, erzählt Klöcker. „Er hatte alles mitbekommen.“

Für eine Inszenierung von Karl-Heinz Stroux hat Klöcker einmal den Sound eines Güterzuges abgemischt. „Als ich es ihm vorspielte, sagte er: Helmut, häng noch ’nen Waggon dran.“ Vier Tage brauchte Klöcker damals Ende der 70er Jahre für eine solche Geräuschkomposition. Heute ist es eine Frage von Minuten. „Wir sind schneller, und die Tonqualität ist besser geworden.“ Das nutzten die Regisseure und veränderten Sound und Musik manchmal noch noch bis kurz vor der Premiere. Das, meint Klöcker, führe jedoch nicht zwangsläufig zum besten Ergebnis. „Wenn ich ständig alle Möglichkeiten zur Verfügung habe, ergibt sich kein klares Bild.“

1988 wird Sohn Mark geboren, die Klöckers ziehen in die Jacobistraße. Die Nähe zum Gründgensplatz und der Schichtdienst erlauben es dem Tonmeister, den Jungen regelmäßig zu sehen. Jetzt, da er seinen Ruhestand antritt, könnte ihn diese Nähe schmerzen. „Ich weiß noch nicht, wie ich mich fühle, wenn ich nicht mehr zum Theater darf.“