Herr Raub, welches Führungsduo für die Bundes-SPD bevorzugen Sie denn?
Interview „Bei Verkehr und Wohnen steuern wir konsequent um“
Düsseldorf · Interview SPD-Fraktionschef Markus Raub spricht über die Lage seiner Partei, die Ampel, sein Verhältnis zu OB Geisel – und den Erhalt der Schuldenfreiheit.
Im dritten Teil der politischen Sommerinterviews ein gutes Jahr vor der Kommunalwahl 2020 sprechen wir heute mit Markus Raub (53). Der Rechtsanwalt ist seit 2009 Fraktionschef der SPD im Stadtrat. Seit 2014 regiert dort ein Ampelbündnis aus SPD, Grünen und FDP.
Raub: Dass kann ich wohl erst in zwei Wochen wirklich beantworten. Denn ich hoffe und glaube, dass nach dem für mich überraschenden Vorstoß von Olaf Scholz doch noch weitere Kandidaten aus der ersten Reihe antreten.
Wie sehr sorgt, ja deprimiert Sie denn der Zustand der SPD insgesamt? Man hat bei der Parteispitze in Düsseldorf immer ein bisschen den Eindruck, sie sähe die rasante Talfahrt fast gelassen.
Raub: Natürlich sorgt mich die zum Teil desaströse Lage meiner Partei. Aber wissen Sie was? Mit Blick auf die Kommunalpolitik hier bin auch ich tatsächlich relativ gelassen. Die meisten Wähler haben keine feste Parteienbindung mehr, sie reagieren auf Situationen, auf große Themen wie den Klimaschutz. Davon profitieren die Grünen gerade. Aber hier in Düsseldorf haben wir als SPD eine Bilanz, die die Bürger 2020 überzeugen wird, da bin ich sicher.
Wen meinen Sie denn da, OB Geisel oder die SPD-Ratsfraktion. Letztere scheint im Ampel-Bündnis mit Grünen und FDP nicht unbedingt die dominierende Kraft zu sein.
Raub: Ich meine durchaus unseren OB und unsere SPD-Ratsfraktion. Natürlich muss die größte Kraft in einem Dreierbündnis mit so selbstbewussten Partnern auch ausgleichend wirken, wenn sich die kleineren profilieren möchten. Und dann gibt es ja auch noch den Oberbürgermeister als Machtzentrum. Da kann ich als SPD-Fraktionsvorsitzender nicht dauernd auf den Putz hauen, dann klappt es nicht. Zumal ich ohnehin nicht vom Stamme Lautsprecher bin. Aber: Am Ende ist immer etwas herausgekommen, was wir als SPD so gewollt haben. Insofern trägt die Ampel unsere Handschrift. Und dann wird manchmal übersehen, dass wir mit Kämmerin Dorothée Schneider und Stadtdirektor Burkhard Hintzsche zwei überragende Beigeordnete stellen, um die uns die anderen Parteien, auch die in der Ampel, beneiden.
Wie sehen Sie denn die Chancen, dass es so bleibt nach der Kommunalwahl in einem Jahr?
Raub: Ich glaube, Thomas Geisel hat große Chancen, als OB wiedergewählt zu werden. Er macht eine sehr gute Arbeit, ich sehe keine wirklich schwerwiegenden Kritikpunkte, die man ihm in seinen fünf Jahren vorwerfen könnte.
Ihr Verhältnis zu Geisel soll auch nicht immer das beste gewesen sein.
Raub: Doch, wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen. Ja, er macht immer wieder mal sein Ding und überrascht uns als Fraktion und auch als Ampel – doch das ist auch seine Aufgabe.
Und die Ampel würden sie auch als Juniorpartner der Grünen gerne fortsetzen?
Raub: Ich glaube nicht, dass die Grünen 2020 stärker werden als die SPD. Wir werden jedenfalls dafür kämpfen, so stark wie möglich zu werden und eine Position zu erreichen, in der es ohne uns keine demokratischen Mehrheiten im Rat gibt. In diesem Sinne kann auch die Ampel eine Option sein. Ich möchte aber den Blick erst einmal auf das Jahr bis zur Wahl richten. Manche im Rathaus unken ja schon, dass demnächst nach der Haushaltseinbringung in der Ampel das große Hauen und Stechen ausbricht. Ich sage dagegen: Wir werden in dem Jahr ernten, was wir gesät haben und unsere Erfolge sichtbar machen – von den ersten beiden neuen Bädern bis zu vielen vollendeten Schulbauprojekten.
Die wirklich dominierenden Wahlkampfthemen werden aber andere sein, zum Beispiel Wohnen. Stehen Sie da hinter der Parole ihres Oberbürgermeisters vom „Bauen, bauen, bauen“?
Raub: Ja, wir müssen mehr bauen und haben ja zuletzt erstmals auch die Vorgabe von 3000 neuen Wohnungen geschafft. Wir können den Andrang nach Düsseldorf doch nicht leugnen und die Hände in den Schoß legen. Die Menschen wollen nun mal nach Düsseldorf und sie lassen sich nicht abhalten. Wenn nicht deutlich mehr bezahlbare Wohnungen entstehen, können es sich bald nur noch Gutverdiener leisten, hier zu leben. Das jedoch gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Charakter dieser Stadt.
Die Infrastruktur kommt aber schon jetzt nicht mehr hinterher. Und den Charakter der Stadt gefährden Sie genauso, wenn Sie anfangen, Grünflächen zuzubauen.
Raub: Was wir aber nicht machen und auch nicht machen werden. Wir müssen vielmehr sehr akribisch und konsequent im Inneren verdichten und aufstocken, Lücken schließen, die es auch im Innenstadtbereich immer noch gibt. Mich ärgert, dass die ganzen Kritiker, insbesondere von der CDU, alle nicht sagen, wie sie denn das eindeutig bestehende Problem des mangelnden bezahlbaren Wohnraumes beheben oder zumindest mildern wollen. Bis 2014 jedenfalls ist es vor allem ignoriert worden.
Aus Ihrer Sicht trifft das auch auf die Verkehrspolitik vor 2014 zu, oder?
Raub: So ist es. Jahrelang ist die Rheinbahn kaputt gespart worden, es ging in erster Linie um einen möglichst hohen Kostendeckungsgrad. Das war falsch. Wir hätten viel früher viel mehr Geld in neue Strecken, neue Bahnen und Busse investieren sollen. Hier steuern wir konsequent um.
CDU-Verkehrsexperte Andreas Hartnigk dagegen sagt, Geisel und die Ampel hätten ihrerseits seit 2014 beim ÖPNV nichts auf die Kette gekriegt.
Raub: Das ist absurd. Wir haben beim ÖPNV-Ausbau die Wende eingeleitet, auch wenn natürlich noch viel mehr und das viel schneller passieren muss. Aber die CDU hat bei der Rheinbahn jahrelang nur auf der Bremse gestanden. Ein Beispiel nur: Als wir damals im Rat diskutiert haben, die U79 vom Hauptbahnhof zur Uni zu verlängern, war Herr Hartnigk erst sehr skeptisch und hat davor gewarnt, leeres Blech sinnlos durch die Stadt rollen zu lassen. Eine groteske Fehleinschätzung, wie jeder Fahrgast der U79 bestätigen kann.
Wie sollen sich all die Investitionswünsche eigentlich mit der Beibehaltung der Schuldenfreiheit im Kernhaushalt vertragen?
Raub: Ja, wir werden als Stadt gerade für den Klimaschutz, für Wohnungsbau und Mobilität sehr viel Geld investieren müssen. Und das wird unseren Haushalt erheblich belasten. Insofern bin ich tatsächlich nicht sicher, ob es sinnvoll und möglich ist, die Schuldenfreiheit auf Dauer zu halten. Vor allem Land und Bund müssen die Städte, auch Düsseldorf, finanziell weitaus mehr unterstützen. Doch dass das im notwendigen Maße geschieht, kann ich derzeit nicht erkennen.