Wut als Leitmotiv: Zornige „Rausch“-Inszenierung im Schauspielhaus
Düsseldorf. Als Aleksandar Radenkovic auftritt, ist die Wut sofort da. In atemberaubendem Tempo stürzen die Sätze von der Bühne herab und transportieren das Nicht-mehr-zufrieden-sein-Wollen mit der Welt in den Saal.
Krisenstimmung herrscht am Samstagabend im Düsseldorfer Schauspielhaus, und die Wut ist ihr Leitmotiv.
Falk Richter, Autor und Regisseur in Düsseldorf, und die niederländische Choreografin Anouk van Dijk präsentieren mit der Uraufführung „Rausch“ ihr drittes gemeinsames Projekt. Dieses Mal haben sie sich große Themen vorgenommen: Social Media, Liebe, Kapitalismus, Politik. Und so begleitet der Zuschauer die Schauspieler und Tänzer zur Paartherapie, wird Zeuge schönster Liebeserklärungen und beklemmender Angstbekenntnisse, badet im Facebook-Pessimismus und folgt den Darstellern schließlich bis ins Protestcamp der Occupy-Bewegung.
Dort geht es dann richtig zur Sache, denn die Regisseure zelebrieren den Frontalangriff auf die konservativen Kräfte als zornige Litanei: Die katholische Kirche, das englische Königshaus, die Deutsche Bank, CDU und FDP müssen den Planeten verlassen, dann wird alles gut. So einfach kann Revolte sein.
„Rausch“ kreist effektvoll und mit viel Humor um die komplexen Angelegenheiten der Gegenwart und klickt von der Beziehungskiste zur Finanzwelt, von der Loveparade zum Weltverbesserer. „Wie konnten wir nur so leben“ lautet die Grundfrage der Inszenierung, die damit treffsicher an der Unsicherheit vor allem der Generation 16plus rührt.
Überhaupt ist diese Düsseldorfer Produktion ein junges Stück, laut und wild. Das liegt nicht zuletzt an der packenden Choreografie Anouk van Dijks, die Tänzern wie Schauspielern einen dynamischen Bewegungsmarathon abringt, und an der Musik von Ben Frost. Die teils meditativen, teils metall-scharfen Kompositionen des Australiers mischen sich wie eigenständige Statements ins Bühnengeschehen ein.
Geschickt zerpflückt „Rausch“ die Kommunikationsmechanismen unserer Zeit (Brillant: Aleksandar Radenkovic, Cédric Eeckhout, Steven Michel) und rüttelt aufgebracht an Politik und Politikverdrossenheit. Nur stellenweise schwächelt die rasante Inszenierung, etwa wenn die Kritik am Internet ins Moralisierende abdriftet oder die Brisanz der Finanzkrise im Weltverbessererpalaver verwässert. Solche Momente nerven, sind zum Glück jedoch Ausnahmen. Das Publikum quittierte den Abend mit viel Applaus und einigen Buhrufen.