Düsseldorf Langzeitarbeitslos: „Man fühlt sich wie unterste Schublade“

Ralf Müller war langzeitarbeitslos — zweieinhalb Jahre. Beim Jobcenter wurde ihm geholfen.

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Düsseldorf. Jahrelang ohne Job zu sein, macht mürbe, mutlos und der Selbstwert sinkt. Ein Teufelskreis, in dem sich auch der Familienvater Ralf Müller (51, Name von der Redaktion geändert) wieder fand. „Die Leute sind fertig und keiner will die haben“, bringt es der Düsseldorfer auf den Punkt. Aber Müller schaffte nach langer Arbeitslosigkeit, im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen.

Zu Langzeitarbeitslosen zählen jene, die länger als ein Jahr auf Arbeitssuche sind.

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Der PR-Manager war 48, als sein Arbeitsplatz bei einem touristischen Unternehmen „wegfiel“. „Ich habe wegen meiner Familie in Teilzeit gearbeitet und somit traf es mich zuerst“, erzählt der gelernte Bürokaufmann. Während der einjährigen Kündigungsfrist war er noch optimistisch, eine neue Anstellung zu finden. Aber nach 150 Bewerbungen schwand seine Hoffnung. „Man ist unsicher, wenn man nur Absagen bekommt. Zum Schluss hab’ ich mich fast gehen lassen“, erinnert er sich. Nach dem Arbeitsplatzverlust und einem Jahr Arbeitslosengeld-Bezug hatte Ralf Müller große Angst, beim Jobcenter zu landen.

Müllers Fallmanagerin beim Jobcenter regte schließlich eine Englisch-Schulung an. „Arbeitgeber erwarten oft verhandlungssicheres Englisch“, weiß Müller. Außerdem besuchte er das Angebot des Jobcenters „Durchstarten im Süden“ für Langzeitarbeitslose. Hier wird über Erfolgserlebnisse vor allem der Selbstwert der Teilnehmer gestärkt. „Unter anderem haben wir gruppendynamische Übungen gemacht“, sagt Müller. Gerade bei Langzeitarbeitslosigkeit spiele die Psychologie eine große Rolle. Ralf Müller betont: „Es funktioniert tatsächlich, die Meisten finden nebenher einen Job.“

Eine „Riesenchance“, für die Müller unendlich dankbar ist, war eine Schulung zum Social Media Manager beim Weiterbildungsträger WBS. Schließlich bekam er vom Jobcenter das Angebot, das Potenzial von Menschen in Hartz-IV-Bezug einzuschätzen. „Zeitgleich hatte ich eine Bewerbung bei einer PR-Agentur laufen“, freut er sich. Bei diesem — wenn auch zunächst auf ein Jahr befristeten Job — sagte er zu. „Das ist ein guter Einstieg“, freut sich Müller. Christian Wiglow, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung des Jobcenters Düsseldorf: „Bei etwa einem Viertel der langzeitarbeitslosen Menschen, die eine abschlussorientierte Fort- und Weiterbildung absolviert haben, kommt es zeitnah zur Aufnahme einer Arbeit.“

Zu möglichen Ursachen für eine Langzeitarbeitslosigkeit erklärt Wiglow: „Bei marktfernen Langzeitarbeitslosen beobachten wir gehäuft Vermittlungshemmnisse, die oftmals in Kombination auftreten: Geringe Qualifizierung oder schulische Bildung, mangelnde Sprachkompetenz, gesundheitliche Einschränkungen, psychosoziale Problemlagen, eine fehlende Tagesstruktur und Alltagskompetenz oder Vorbehalte der Arbeitgeber. Oft mindern auch Vorstrafen die Einstellungschancen.“

Als mögliche Gründe für seine zweieinhalbjährige Arbeitslosigkeit benennt Müller: „Ich hatte die Digitalisierung in meinem Bereich verpennt und die Unternehmen wollen Digital Natives haben.“ Aber rund um die Uhr in sozialen Netzwerken präsent zu sein, ohne Privatleben, das konnte der dreifache Familienvater nicht leisten.

„Der Weg zurück in die Erwerbstätigkeit ist oftmals sehr steinig“, weiß Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Düsseldorf. „Langzeitarbeitslosigkeit entsteht oftmals durch eine Kombination aus einer fehlenden oder veralteten Berufsausbildung, einem höheren Lebensalter und manchmal gesundheitlichen Einschränkungen“, so Schüßler.

Rückblickend war Ralf Müller positiv überrascht von der guten Betreuung durch das Jobcenter. „Ich wäre lieber sofort in ALGII -Bezug gekommen, ohne ein Jahr Arbeitslosengeld“, resümiert er und fährt fort: „Bei Arbeitslosengeldbezug passiert nichts, außer dass das Geld ausgezahlt wird. Hätte ich nur sofort einen so guten Ansprechpartner gehabt wie beim Jobcenter.“

Von Grundsicherung zu leben, sei nicht das Schlimmste gewesen, findet Müller. Natürlich müsse man sich einschränken. „Aber man kann überleben“, betont Müller. „Dass mein Sohn mich als Versager ansah und sich, wie auch Freunde, abgewandt haben und das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, wogen viel schwerer“, sagt der Familienvater. Das Selbstbewusstsein litt. „Man fühlt sich wie unterste Schublade“, sagt Müller. Aber das ist zum Glück Vergangenheit.