Leihoma: Frau Schäfer ist nur für Karolin da
Die Stadt sucht dringend Ersatz-Großeltern, Monika Schäfer ist eine von 50 Senioren, die für Kinder da sind.
Düsseldorf. Mittwoch ist Leihoma-Tag: Wenn Karolin aus der Schule kommt, wartet Frau Schäfer bereits auf dem Schulhof auf sie. Meist sieht die Erstklässlerin die kleine Frau mit der weißen Jacke schon von weitem, rennt auf sie zu und wirft sich in ihre Arme. "Frau Schäfer, kommst du mit, ich muss noch meinen Tornister holen?", fragt Karolin die 62-Jährige. Sie lässt ihre Leihoma jetzt nicht mehr von ihrer Seite weichen. Und Frau Schäfer macht das gerne mit.
Seit zwei Jahren verbringen Monika Schäfer und die sechsjährige Karolin einmal pro Woche ein paar Stunden miteinander. Zusammengefunden haben sie durch ein Projekt des Jugendamtes, das es seit rund zehn Jahren gibt. Geleitet wird die Initiative von Sozialpädagogin Cornelia Wagner und Sozialarbeiterin Maria Drue. Sie vermitteln Familien und Senioren, besuchen sie und bieten den Austausch in der Gruppe.
Rund 50 Leihomas und -opas im Alter zwischen 50 und 75 Jahren gibt es in Düsseldorf. Es könnten aber noch viel mehr sein. "Wir haben weitaus mehr Anfragen von Familien, als dass wir Leihgroßeltern vermitteln könnten", sagt Maria Drue. Zwölf Ordner inklusive 300 Anfragen von Familien warten auf die Vermittlung - doch das kann dauern. "Und es muss passen", sagt Drue. "Manche werden schon am folgenden Tag vermittelt, andere warten zwei Jahre auf ihre Leihoma."
Ein paar Monate musste auch Karolins Mutter Sandra Withöft warten. Nach der Trennung von ihrem Mann wollte sie wieder arbeiten und pendelt nun jeden Tag nach Köln. "Da ist es toll, mal entlastet zu werden", sagt Withöft. Die potenziellen Leihgroßeltern geben an, wonach sie suchen: Männer wollen oft Jungs zum Fußballspielen, manch pensionierte Lehrerin möchte gerne bei den Hausaufgaben helfen.
Monika Schäfer suchte nach einem kleinen Mädchen, das alt genug ist, um mit ihr etwas zu unternehmen. Maria Drue besuchte die Pensionärin, erkundigte sich nach ihren Lebensverhältnissen und ihren Vorstellungen von dem Projekt. Einen Monat nach dem Gespräch kam der Anruf. "Ich habe ein kleines Mädchen für sie", sagte Drue damals zu Monika Schäfer. Und das Beste: Die Chemie stimmte.
Langsam näherten die beiden sich an, die Leihoma kam zu Besuch, später war Karolin stundenweise bei Monika Schäfer. Die 62-Jährige arbeitete früher im Altenbereich und hat eine erwachsene Tochter, aber keine Enkelkinder. "Der eine Tag pro Woche mit Karolin erfüllt mich, irgendwie bleibt man dadurch jung, und ich kann gleichzeitig etwas weitergeben."
Die beiden haben in den zwei Jahren ihrer besonderen Beziehung viel unternommen: Kinderkarnevalssitzung, Streichelzoo und Neanderthal-Museum. Manchmal backen sie auch Plätzchen, basteln Ketten oder richten Futterstellen für Vögel ein.
Regelmäßig laden die Organisatorinnen vom Jugendamt zum Erfahrungsaustausch ein. Dabei wird auch über Risiken aufgeklärt: "Die Leihomas und -opas sind keine Haushaltshilfen und auch keine Babysitter - das machen wir ganz deutlich", sagt Drue. Dass sich die Senioren in Erziehungsfragen einmischen, kommt laut Drue nicht vor und ist auch nicht erwünscht.
Obwohl Erstklässlerin Karolin noch zwei leibliche Omas hat, ist die Zeit mit ihrer Leihoma für sie etwas ganz Besonderes. Und wenn mal einer fragt, wer die Dame ist, mit der sie spielt, dann sagt Karolin stolz: "Das ist Frau Schäfer, die ist nur für mich da."