Düsseldorf Lese-Party in mehrstündiger Stille

Das „damenundherren“ lud zu einer ungewöhnlichen Veranstaltung — ein Selbstversuch.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Auf schwarzen Sofas, grünen Sesseln und blauen Sandsäcken sitzen Leute und lesen, jeder für sich. Es herrscht Stille wie im Lesesaal einer Bibliothek. Nur die Atmosphäre ist etwas kuscheliger und improvisierter. Das Lokal des Kunstvereins „damenundherren“ an der Oberbilker Allee ist Ausrichtungsort einer „Silent reading party“ nach neuseeländischem Vorbild.

Völlige Lautlosigkeit herrscht allerdings nicht: Ab und zu zischt und blubbert eine Kaffeemaschine, von der Straße dringt etwas Verkehrslärm herein, vor allem dann, wenn die Tür des Ladenlokals aufgeht. Ab und zu geschieht das. Denn es herrscht ein gelegentliches Kommen und Gehen. Umblättern, Räuspern, Hüsteln und andere Geräusche, die ein Lesender zuweilen verursacht, mischen sich ins akustische Gesamtbild.

In den ersten zehn Minuten fällt mir die Konzentration auf das mitgebrachte Büchlein schwer. Es handelt sich um Erinnerungen einer Pariser Schülerin des jungen Franz Liszt. Nur langsam gelingt die Vertiefung in die Lektüre. Es scheint, als würde das gemeinsam praktizierte Stillsein jedes Knistern und alle von Fahrzeugen erzeugten Geräuschen besonders auffällig machen. Im allgemeinen Gemurmel eines Cafés würde ein entferntes Hupen oder Martinshorn gar nicht auffallen. Doch auch hierbei setzt nach einiger Zeit der Gewöhnungseffekt ein, und das Lesen fällt leichter.

Dann vergeht die Zeit wie im Flug und die Stille-Phase wird beendet. Annette Krohn, die sich um die Literaturveranstaltungen des „damenundherren“ kümmert, lädt zum Gespräch und Erfahrungsbericht ein. Nach stundenlangem Lesen kommt man allerdings nicht sofort in den Alltagstrubel zurück, so bleibt es noch eine Weile ziemlich ruhig im Raum. Eine Frau zeigt sich begeistert: „Das war toll, ich habe noch nie so lange am Stück gelesen.“ Auch Mit-Initiator des Pilotprojekts, Reiner Frey, der hauptberuflich Lehrer ist, macht einen zufriedenen Eindruck. „Ich habe den Camus durch“, sagt er mit einem Lächeln. Den kurzen Roman „Der Fremde“ habe er schon seit Jahren noch einmal lesen wollen. Aus der Zeitung erfuhr er von den „Silent reading parties“, welche die Neuseeländer neuerdings sehr regelmäßig veranstalten. Auch in London und New York sei diese Form der Lesekultur gerade im Trend. Ob und wann die nächste Lese-Party in Düsseldorf steigen soll, ist noch nicht entschieden. Jetzt sollen die Vereinsmitglieder erst einmal sagen, ob sie eine Wiederholung überhaupt wollen.