Musik in Düsseldorf Mit VR-Brille Live-Konzerte erleben
Düsseldorf · Während Corona waren Musiker Björn Sondermann aus Lohausen und Videoproduzent Jérôme Lozano zur Untätigkeit verdonnert. So entstand die Idee, Konzerte aufzunehmen und als Live-Erlebnis für Virtual-Realitiy-Brillen aufzubereiten.
Ein wenig skeptisch ist man vor dem Überziehen der VR-Brille zunächst schon: So ein bisschen 3D-Effekt, war doch alles schon mal da, denkt der Laie. Und ist ja auch „nur“ ein Live-Konzert, nichts, was einem entgegenfliegt und der Eindruck so real ist, dass der Reflex einsetzt, sich wegzuducken. Doch kaum ist die Brille aktiviert, öffnet sich einem vielleicht keine andere Welt, aber doch zumindest ein anderer Raum – in diesem Fall der Ratinger Hof – von dem der Nutzer Teil wird. Die Bandmitglieder sind so nah, dass man dem Gitarristen in die Saiten greifen, der Sängerin über die Hand am Mikro streichen könnte und sich die Erkenntnis einstellt: Ich bin mittendrin, so nah war ich den Musikern noch nie bei einem Konzert, fast besser, als vor der Bühne zu stehen.
Björn Sondermann betreibt in Lohausen eine Schlagzeugschule. Und er ist Musiker, bei der Band Assassin und Nichts. Aber die Interessen des Multitalents gehen noch weiter, er ist neugierig. Das trifft alles auch auf den Kölner Jérôme Lozano zu, der als Produzent von Werbespots, Videospielen oder eben Musikvideos in vielerlei Hinsicht hinter der Kamera steht. Und irgendwann in der Pandemie, als Kreative weitgehend zur Untätigkeit verdammt waren, kreuzten sich ihre Wege und beide entdeckten ihr Interesse für Virtual Reality.
„Ich habe schon vor sechs, sieben Jahren erste Konzerte mit einer 360-Grad-VR-Kamera aufgenommen, aber die Ergebnisse waren unbefriedigend, die Bilder zu schlecht aufgelöst, der 3D-Effekt war kaum vorhanden“, erzählt Sondermann.
Technologie ermöglicht neue Perspektiven der Videoerstellung
Das habe sich schlagartig geändert, als in der Pandemie neuere VR-180-3D-Kameras auf den Markt kamen und auch die VR-Brillen plötzlich günstiger und besser waren. Ähnliche Erfahrungen hat Lozano gemacht: „Als ich zum ersten Mal ein Virtual-Reality-Headset aufsetzte, war mir klar, dass die Tugenden des Eintauchens dieser neuen Technologie der Welt neue Perspektiven bei der Videoerstellung eröffnen würden.“
Über Youtube lernten sich beide kennen, und das Projekt „On Stage“ war geboren. Bis jetzt ist es kein Start-up, keine Firma, „aber das kann ja noch werden“, sagt Sondermann, dem ein NRW-Stipendium bei der Finanzierung half. Jedenfalls wurde ein Team zusammengestellt, und mittlerweile sind bereits vier Musikvideos entstanden, alle aufgenommen „im besten Laden der Stadt“ (Sondermann), bei den Kulturbanausen im Ratinger Hof. Die erste Veröffentlichung mit der Band Plainride steht am 24. Februar kurz bevor, die zweite mit der Düsseldorfer Formation Six Turns Nine kommt am 3. März heraus, immer mit einer Woche Abstand folgen dann noch RocknGroll (10. März) und The Violent Youth (17. März).
Dass „On Stage“ mehr als nur ein regionales Phänomen sein dürfte, dafür sorgt jetzt auch ein Kontakt nach Los Angeles, denn die Produktionen von Sondermann und Lozano sollen auch über „Hugh Hou“, dem weltweit größten VR-Youtuber-Kanal veröffentlicht werden.
Und dann gibt es da noch die Geschichte mit Meta: Beim Super Bowl im Vorjahr wurde ein Foo-Fighters-Konzert mit Frontmann Dave Grohl in VR von der Zuckerberg-Plattform gezeigt, „und das war einfach furchtbar, ein typisches Hollywood-Konzept“, sagt Sondermann, der die Aufnahmen als „Pixelbrei mit viel zu großem Abstand“ empfand. „Mit der VR-Technik kann man so viel machen und die Leute auch wieder animieren, mehr auf Konzerte zu gehen“, so der Dave-Grohl-Fan. Die Kritik teilt er voll und ganz. „Ich persönlich finde, wir haben mit sehr wenig Budget was Kreatives und Besseres im Ratinger Hof entstehen lassen.“ So viel Selbstbewusstsein muss schon sein.