Gastbeitrag Der einzige verbliebene kulturelle Schwerpunkt

Düsseldorf · Der Jonges-Baas macht sich Gedanken zum Luisen-Gymnasium an der Kasernenstraße.

Baas Wolfgang Rolshoven.

Foto: Judith Michaelis

Das heutige, nach der Kronprinzessin Maria Luise benannte Luisen-Gymnasium war seit 1957 als mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium in Schulgemeinschaft mit dem neusprachlichen Gymnasium mit altsprachlichem Zweig als Luisenschule I und II in einem Gebäude an der Bastionstraße untergebracht. Die Luisenschule I wurde 1967 als eigenes Gymnasium abgetrennt und zog zur Adlerstraße. Der rote Sandsteinbau an der Kasernenstraße ist nach Zerstörung der Synagoge durch die Nationalsozialisten 1938 und Vernichtung des neobarocken Baus des Schauspielhauses bei dem Bombenangriff 1943 der einzige verbliebene kulturelle Schwerpunkt an der Kasernenstraße. Wie der Straßenname sagt, waren die Militärgebäude in der Extension bis zur Verlagerung der Kasernen nach Derendorf 1897 der Mittelpunkt der Carlstadt. Die unter Carl-Theodor erfolgte Stadterweiterung (Extension) wurde in vielen Reiseführern des 18. Jahrhundert als Beispiel moderner Stadtplanung gewürdigt. Auf einem Teil des Kasernengeländes wurde südlich der Garnisonskirche der erste Bauabschnitt der Luisenschule 1907 vollendet.

In dem Buch von Bernhard Fluck und Edmund Spohr „Düsseldorf, Schulreform und Stadtentwicklung“, heißt es von dem roten Sandsteingebäude des Baumeisters und Beigeordneten Johannes Radke: „Das Luisen-Gymnasium zählt zu den wenigen in der Carlstadt erhaltenen charakteristischen Bauten. Das Baudenkmal bildet mit dem gegenüberliegenden Bau des Stahlhofs als Ensemble ein besonders eindrucksvolles Zeugnis der Architektur des beginnenden 20. Jahrhunderts“. Diese städtebauliche Einheit, deren Wert durch das gegenüber an der Königsallee ebenfalls von Radke gestaltete Görres-Gymnasium noch gesteigert wurde, ist bis heute eine prägende Architektur der Carlstadt.

Vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg waren auch die Proportionen der Nachbargebäude, der Synagoge im Westen, wie des Schauspielhauses im Süden, und der Schaaffhausenschen Bank im Norden hervorragend auf das Ensemble abgestimmt. Das unmittelbar an die Luisenschule angrenzende Bankgebäude hatte nur geringe Kriegsschäden.

Auch der erste Bauabschnitt des Schulgebäudes war im 2. Weltkrieg nur wenig in Mitleidenschaft gezogen. Das Dach des roten Sandsteingebäudes war abgebrannt, die nördlichen Teile weitgehend zerstört. Leider bestimmte damals noch nicht das Denkmalamt das Baugeschehen, so dass viele wertvolle Jungendstilelemente in dem historischen Gebäude verloren gingen.

Die Jugendstilaula, die schon vor den Kriegsjahren extern für kulturelle Veranstaltungen genutzt wurde, diente während des Krieges bereits als Ausweichstätte für öffentliche Veranstaltungen. 1944 war hier die Oper untergebracht, auch für Konzerte wurde die Aula benutzt, die ebenso für die städtischen Bühnen freigegeben war. Die Kammerspiele des Schauspielhauses fanden ebenfalls in der Aula statt. Adolf Dell, Edith Teichmann und Gustaf Gründgens waren die Namen der Schauspieler, die in der Aula der Luisenschule ihre Nachkriegskarriere begonnen haben. Die Schule, an der vor dem Krieg Leo Baeck die jüdischen Schülerinnen unterrichtet hatte, war bis 1971 noch ein reines Mädchengymnasium, das nicht nur in Düsseldorf ein Vorreiter für die Frauenbildung war.

Das heute in die Denkmalliste eingetragene Gebäude wurde Ende der 1980er/ Anfang der 1990er Jahre Dank der Initiative der Schulpflegschaftsvorsitzenden Dr. Friedrich Hasbach und Dr. Edmund Spohr umfassend restauriert. Der Sandstein wurde gereinigt und ausgebessert, die Fenster wurden sukzessive im alten Stil als Sprossenfenster erneuert. Der 1998 erlangte Status einer Unesco-Projektschule bedingte kleinere Umbauten und Erweiterungen für die erforderlichen Räume wie Mensa, Gruppen- und Projekträume.

Durch den nicht notwendigen, aber mit Genehmigung der Denkmalbehörde erfolgten Abbruch der noch gut erhaltenen Schaaffhausenschen Bank wurde der nach kommerziellen Kriterien ausgerichtete Neubau der Allianz-Versicherung errichtet. Dabei wurden leider die Proportionen empfindlich gestört. Die Commerzbank mit ihrem Eckturm ist dagegen nach wie vor ein angenehm gestaltetes Signal in der Carlstadt. Die Deutsche Bank hat die Proportionen der Carlstadt aufgegriffen und durch den Abbruch des Hochhauses aus den 1950er Jahren die Voraussetzung für eine Verbesserung der Stadtstruktur in diesem Bereich der Carlstadt geschaffen.

Die Befürchtung, dass bei einem Verkauf des Luisen-Gymnasiums an einen kommerziellen Nutzer das Ensemble Luisen-Gymnasiums / Stahlhof / Görres-Gymnasium weiteren Schaden erleidet, sind nicht unbegründet:

Die Blechdächer nach Pariser Vorbild auf dem Filmmuseum am Alten Hafen lassen ebenfalls erkennen, welche Gefahr droht, wenn man versucht, durch moderne Dachformen auf Denkmälern und ensemblegerechten Bauten die Nutzung um das Mehrfache zu steigern. Neben diesen Gefahren, die die Genehmigungsbehörde, die heute den Denkmalschutz strenger bewertet, eindämmen kann, ist der kulturelle Schaden und der Verlust einer Bildungsanstalt, die für Düsseldorf in vieler Hinsicht von Bedeutung war, nicht wieder gut zu machen. Dass sich die Schulkonferenz für einen Neubau auf der grünen Wiese entschieden hat, ist sicherlich nachvollziehbar, denn in einem Baudenkmal lassen sich nach heutigen Gesichtspunkten gestaltete Räume für IT-Unterricht, Sprachlabor, modernen Physik-, Chemie- und Biologieunterricht und gut belichtete Kunst- und großzügige Musikräume nicht ohne große Kosten realisieren. Hier verhält es sich wie bei der Deutschen Oper am Rhein der 50er Jahre, die man nicht durch Umbauten in erweiterten Baumassen für die Technik des 21. Jahrhunderts herrichten kann, ohne großer Teile des Hofgartens, der den Jonges besonders am Herzen liegt, in Anspruch zu nehmen.

Der Bildungsverlust durch die Aufgabe des Luisen-Gymnasiums trifft auch das Görres-Gymnasium, das seit vielen Jahren (1972) mit dem Luisen-Gymnasium in den Leistungskursen kooperiert. Wenn diese Kooperation durch den Verkauf des Luisen-Gymnasiums wegfällt, schadet das auch dem Görres-Gymnasium, denn die Zusammenarbeit mit dem Ursulinengymnasium in der Ritterstraße oder dem Humboldtgymnasium in Pempelfort ist keine Alternative.

Es ist geradezu skandalös, dass diese bildungspolitischen Fragen in den politischen Parteien bisher noch nicht erörtert worden sind. Bei der Aufgabe eines Gymnasiums geht es doch nicht nur um die Aufgabe eines denkmalgeschützten Gebäudes, sondern auch um seinen geistigen Inhalt und seine bildungspolitische Vernetzung. Der kommerzielle Erfolg ist nicht höher zu bewerten als der Bildungsauftrag für unseren Nachwuchs. Zu diesen Fragen gehören natürlich Alternativen zur zukünftigen Nutzung des Schulgebäudes für kulturelle und schulische Zwecke, ggf. Privatschulen oder andere Bildungseinrichtungen, die zunächst eruiert werden müssen, bevor man zu einem gedankenlosen Verkauf aus maximalen Gewinnüberlegungen im Rat einen Beschluss fasst. Bevor die neuen Nutzer kulturelle Gesichtspunkte nicht in ihrem Konzept berücksichtigen, sondern über ihre politischen Freunde eine Beschlussvorlage zum Ankauf im Rat erwirken, sollten sich die Ratsmitglieder ihrer Verantwortung für den Bildungsauftrag der Kommune im Klaren sein.

Dies gilt umso mehr als seit Jahren schon über die Neubaupläne an der Völklinger Straße in der Presse berichtet wird, ohne dass man sich Gedanken über eine zukünftige Nutzung des Denkmals in der Carlstadt gemacht hat. Es ist schon schlimm genug, dass seit Jahren die Stadtkämmerei leer liegt und dass man die Räumlichkeiten aufgegeben hat, bevor man sich über eine zukünftige Nutzung im Klaren war. Übrigens weiß man schon, was mit dem Technischen Rathaus geplant ist, wenn dafür ein Neubau an der Völklinger Straße errichtet wird? Fragen, die sich verantwortungsbewussten Bürger*innen stellen, die auch über die Kosten eines solchen Tausches nachdenken.

Über Zugeständnisse im Baurecht lassen sich zwar größere Nutzungen erwirken und Teile der Neubauten refinanzieren. Derartige Überlegungen dürfen aber bei einem Denkmal nicht zur Priorität werden. Dazu sollten sich die Ratsleute ihre Gedanken machen. Die Jonges und die Bürgervereine werden besonders im Wahljahr auf die entsprechenden Ratsvorlagen achten.

Quellen: Düsseldorf Eine Stadt zwischen Tradition und Vision Band 9;  „Schulreform und Stadtentwicklung“ Das Luisen-Gymnasium, Bernhard Fluck und Dr. Edmond Spohr

Wolfgang Rolshoven (Foto: Judith Michaelis) ist Baas der Düsseldorfer Jonges