Düsseldorf Mehr Platz für den Jugendarrest
Die Anstalt in Gerresheim soll erweitert werden — in einem ehemaligen JVA-Gebäude gleich nebenan. Der Baustart steht bevor.
Düsseldorf. Die kleine Bücherei ist liebevoll gepflegt. Im Regal auf der einen Seite stehen reihenweise Bände von „Die drei ???“ mit kleinen Schildchen auf dem Buchrücken „Krimi“. Gegenüber Literatur zur Berufswahl, der Koran, Belletristik auf Serbisch und Rumänisch. Dazwischen ein Stuhl — mehr Platz ist nicht. „Hier will man nicht wirklich verweilen“, sagt Gabriele Kuhn mit einem traurigen Blick in die ehemalige Zelle. Kuhn ist die neue Leiterin der Jugendarrestanstalt (JAA) in Gerresheim. Und sie sehnt mehr Raum für ihre Arbeit herbei.
Die 51-Jährige war lange eine Gegnerin des Arrestes als letzte Warnung für junge Strafttäter. „Vor 20 Jahren hat man jemanden weggesperrt und gesagt: Jetzt denk’ mal drüber nach.“ Aber so sei das heute nicht mehr: „Der Arrest hat sich gewandelt.“
Heute soll er die Möglichkeit zu einer intensiven Erziehung in kurzer Zeit bieten. Die Jugendlichen, die sich sonst draußen allen Angeboten entziehen, können hier vor Finanz-, Sexual- oder Drogenberatung nicht mehr weglaufen. Doch all diese neuen Ansätze finden in Düsseldorf noch immer unter dem alten Dach an der Heyestraße statt. Wo es für derlei Angebote und Gruppenaktivitäten nur einen einzigen Raum gibt. „Das finde ich schon traurig“, sagt Kuhn. „Die räumlichen Verhältnisse sind sehr beengt.“ Deshalb will man anbauen.
Wobei das nicht ganz richtig ist: Das zusätzliche Gebäude steht schon. Direkt an der JAA zur Straße hin. Es war das Übergangshaus der Düsseldorfer JVA für den offenen Vollzug. Jetzt ist es leer. Und Gabriele Kuhn versprochen.
Zellen sollen nicht in das neue alte Gebäude aus dem Jahr 1985 ausgelagert werden. Die 60 Räume für Arrestanten in der bestehenden JAA werden derzeit sukzessive renoviert. Das geht, weil mit der Jugendkriminalität eben auch die Zahl der verurteilten jungen Straftäter sinkt. Vielleicht auch, weil die Ansprüche im Jugendstrafrecht stark gestiegen sind.
Die rund 2000 jungen Männer, die pro Jahr in Gerresheim wenige Tage bis vier Wochen absitzen, sollen Sportangebote und Beratung erhalten. Viel läuft über Ehrenamtler oder Menschen, die für kleine Aufwandsentschädigungen arbeiten. Das „Übergangsmanagement“ des Hauses vereinbart schon vor der Entlassung Anschlussgespräche bei Arbeitsagentur, mit Schulen oder hilft bei der Wohnungssuche. Eine völlig verkorkste Erziehung können die Mitarbeiter der JAA nicht innerhalb weniger Wochen wettmachen. „Aber wir wollen Anregungen und Hilfestellung geben“, erklärt Kuhn.
Das allerdings ist schwierig in einem Haus, dessen einziger Gruppenraum auch dem pflichtmäßigen Dienstsport der Vollzugsbeamten sowie als Lagerraum für alles Mögliche dient. Gemeinsame Mahlzeiten gibt es deshalb nicht. Jeder isst auf seiner knapp acht Quadratmeter großen Zelle. Kuhn findet das unglücklich, wenn man den Jugendlichen vermitteln will, wie geordnetes Zusammenleben im Alltag geht — und manchen auch, wie man überhaupt Gabel und Messer hält. „Elternkontakte habe ich hier kaum. Viele der Jugendlichen sind sehr allein gelassen“, verdeutlicht sie das Problem.
Dass der Arrest für diese Herausforderungen Raum braucht, sieht man auch im Landtag. „Der politische Wille ist da. Das Justizministerium will es“, bekräftigt die JAA-Leiterin. „Und wir stehen in den Startlöchern, wollen so schnell wie möglich loslegen.“ Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb rechnet mit einer Bauzeit von 77 Wochen. Begonnen wurde aber noch nicht.