Nach dem Ende Ihrer Zeit als CEO hätten Sie sicher auch andere Dinge tun können. Was motiviert Sie zu Ihrem sozialen Engagement?
Ehrgeiziges Ziel „Niemand soll in Düsseldorf auf der Straße leben müssen“
Düsseldorf · Der Thalia-Gesellschafter engagiert sich für Obdachlose – mit einem ehrgeizigen Ziel.
Nicole Lange stellte die Fragen
Michael Busch: Ich habe letztes Jahr nach 28 Jahren in meiner operativen Rolle bei Thalia aufgehört, und der neue CEO macht seinen Job sehr gut. Jetzt möchte ich etwas tun, mit dem ich der Gesellschaft etwas zurückgeben kann. Mir ist klar, dass ich viel Glück im Leben hatte. Daher wollte ich etwas für Menschen tun, denen es nicht immer so ging. Und etwas davon wollte ich auch in meiner Heimatstadt tun, mit der ich ebenfalls viel Glück hatte. Ich bin Düsseldorf treu geblieben, obwohl ich zwischendurch mal in Köln studiert habe – das war im Grunde ja auch mein erster Schritt zur Entwicklungshilfe.
Und warum Housing First?
Busch: Es fing damit an, dass mich ein Nachbar mit in die Galerie der Obdachlosenhilfe Fiftyfifty genommen hat, wo ich Hubert Ostendorf kennengelernt habe. Er hat mir von dem Projekt erzählt, das zu dieser Zeit schon etwa 30 Wohnungen besaß. Das Thema hat mich nicht losgelassen und ich habe mich später mit ihm getroffen. Ich habe dann gesagt, dass ich unter einer Bedingung mitmache: Dass wir die erste Stadt in Deutschland werden, in der keiner mehr auf der Straße leben muss. Natürlich ist das ein großes Ziel, aber mir war es wichtig, dass wir uns das vornehmen. Als Händler kann ich das ja am besten: Ich kann etwas nehmen und herausfinden, wie man es skalieren kann.
Wie geht es mit dem Ziel voran?
Busch: Wir haben inzwischen 80 Wohnungen, was an sich schon toll ist. Einige davon habe ich am Anfang bewusst mit dem Nachbarn, der mich mit Fiftyfifty zusammengebracht hat, selbst gekauft. Du kannst ja nicht andere Menschen auf finanzielle Hilfen ansprechen und selber nicht als Vorbild vorangehen, wenn du die Möglichkeit dafür hast. Dann haben wir vor allem auch angefangen, Leute anzusprechen, beispielsweise bei den Rotariern und in anderen Clubs und Vereinen. Beeindruckend ist auch unsere Erfolgsquote, denn es ist in den letzten zwei bis drei Jahren tatsächlich bisher nur ein einziger, dem wir eine Wohnung vermitteln konnten, wieder ausgezogen – also liegen wir bei 98 Prozent.
Die Wohnungen gehören aber nicht alle dem Verein, richtig?
Busch: Genau. Es geht darum, Leute zu animieren, Wohnungen zu kaufen und sie gezielt für unseren Zweck zur Verfügung zu stellen. Sie behalten sie aber in ihrem eigenen Bestand und bekommen die Miete ja dann vom Jobcenter bezahlt. Wir von Housing First kümmern uns gezielt um den Prozess – und wir begleiten den neuen Mieter auch nach dem Einzug. Aber ohne enge Vorschriften, denn derjenige muss selbst entscheiden, wie er dann sein Leben führen möchte. Natürlich müssen wir auch mal intervenieren, wenn etwas nicht läuft – aber an sich leben die Leute selbstbestimmt und machen das toll.
Wie bekommt man Leute dazu, eine Wohnung für diesen Zweck zu kaufen?
Busch: Das ist viel Überzeugungsarbeit, aber manchmal geht es erstaunlich einfach. Bei unserer Veranstaltungsreihe in der Buchhandlung an der Kö ist beispielsweise Dirk Rossmann aufgetreten und hat dort von Housing First erfahren, weil wir das Projekt da immer vorstellen. Am nächsten Tag hat er sich beim gemeinsamen Frühstück mit meiner Frau und mir entschuldigt, dass er gar keine Blumen oder ein Geschenk mitgebracht habe – und hat dann stattdessen gesagt, dass er uns eine Wohnung schenkt. Das hat er dann auch gemacht.
Das muss man aber auch können...
Busch: Das kann natürlich nicht jeder. Aber es gibt auch noch viele andere Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Indem man an uns spendet beispielsweise, oder indem man dabei hilft, uns bekannter zu machen.
Welche Rolle spielt die Stadt?
Busch: Wir haben das Thema bei Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) vorgestellt, der inzwischen auch unser Schirmherr ist, und er hat uns schnell zugesagt, dass die Stadt uns unterstützen kann. Sie finanziert für uns die Stellen für drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um die Organisation und Betreuung kümmern. Das ist jetzt für 2024/25 auch wieder genehmigt worden. Im Gegenzug haben wir unsere Ankündigungen massiv übererfüllt; also ein Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Was wir tun, hilft ja auch der Stadt, es bringt Menschen von der Straße.
Wie soll es weitergehen?
Busch: Im Grunde geht es vor allem darum, das Ganze weiter zu skalieren und schneller voranzukommen. Wir betreuen mit drei Mitarbeitern inzwischen 80 Wohnungen – 50 davon konkret bei Housing First Düsseldorf und die restlichen aus dem Altbestand von Fiftyfifty. Inzwischen glauben alle Beteiligten daran, dass wir unser Ziel erreichen können; ob es nun fünf Jahre dauert oder wegen der Corona-Zeit dazwischen ein wenig mehr. Unser nächstes Ziel ist es, in die Förderung des Landschaftsverbandes Rheinland zu kommen.
Warum ist das so wichtig?
Busch: Im Moment müssen wir immer um neue Stellen ringen, um die Leute zu betreuen. Mit der Förderung würde das deutlich einfacher. Wir würden diesen Bereich gerne verdichten, denn auf die Wohnung sollten irgendwann ja die nächsten Schritte folgen, beispielsweise die Arbeitsaufnahme. Vielleicht kann derjenige dann auch bald eine größere Wohnung ziehen und die alte wieder für den nächsten Obdachlosen freimachen. Dieses Rotationsprinzip wäre unser Wunsch, aber ohne jeden Druck. Wer einmal bei uns in einer Wohnung ist, hat dort einen sicheren Hafen solange er sein Umfeld respektiert.
Ist Düsseldorf mit seinem engen Wohnungsmarkt nicht eine schwierige Stadt für ein solches Projekt?
Busch: Wir haben in den vergangenen Jahren wirklich viele Wohnungen gefunden, im Moment ist der Markt in Düsseldorf aber leider mindestens genauso schwierig wie in anderen Städten, wenn nicht schwieriger. Bei den hohen Zinsen sinken ja tendenziell die Preise, und viele potenzielle Verkäufer zögern damit, ihre Immobilie ausgerechnet jetzt anzubieten. Auch der große Wohnraumbedarf für Flüchtlinge aus der Ukraine hat dazu geführt, dass das Angebot knapp und begehrt ist. Deshalb ist es auch schwieriger, große Vermieter dazu zu bringen, uns Teile ihres Bestandes zur Verfügung zu stellen.
Wie sind denn die Kriterien für eine solche Wohnung?
Busch: Die Wohnungen müssen in Düsseldorf sein, damit sie für unsere betreuenden Sozialarbeiter gut erreichbar sind. Ansonsten gibt es keine besonderen Kriterien, außer dass die Miete sich an den Bedingungen der Jobcenter ausrichten muss. Es sind eher kleine bescheidene Wohnungen, oftmals Ein-Zimmer-Appartements in der Größe um 30 Quadratmeter. Von der Lage her sind wir über das Stadtgebiet verteilt von Rath bis Garath.
Müssen Sie die Betroffenen überzeugen, dass eine Wohnung ein guter Schritt wäre? Man hört ja oft, dass viele Obdachlose gar nicht von der Straße wollen.
Busch: Das erleben wir anders. Inzwischen haben wir sogar unsere Warteliste schließen müssen, weil es tatsächlich sehr viel Interesse gibt und wir nicht zu viele Enttäuschungen provozieren möchten. Ein Grund ist vermutlich, dass wir uns ganz klar gegen das ansonsten herrschende System stellen. Bei anderen Wohn-Projekten sind die Vorgaben hart, oft darf kein Alkohol getrunken und dürfen keine Drogen konsumiert werden. Es gibt teils sogar sogar vorgegebene Besuchszeiten. Und so etwas ist für erwachsene Menschen natürlich schwierig.
Es gibt viele, die einen Arbeitsplatz oder Drogenentzug für den sinnvollen ersten Schritt halten. Warum machen Sie es andersrum?
Busch: Wir haben die klare Erkenntnis, dass die Menschen viel eher dazu bereit sind, ihr Leben zu ändern, wenn sie ein sicheres Dach über dem Kopf haben. Allerdings haben viele teils mehr als 20 Jahre auf der Straße gelebt und sind teils körperlich und gesundheitlich auch gar nicht mehr in der Lage, eine feste Arbeit aufzunehmen. Wir haben unter unseren Mietern aber beispielsweise auch jemanden, der sich nach dem Einzug in die Wohnung selbstständig vom Alkohol gelöst hat und einen Minijob als Hausmeister angenommen hat, den er auch immer noch macht. Da geht einem das Herz auf.