Verkehr Räder statt Autos: Was dafür, was dagegen spricht
Düsseldorf · Pro: Autofahrer wurden lange bevorzugt und müssen ein bisschen Platz abgeben – Contra: Die Stadt hat schlecht kommuniziert und das Thema unterschätzt
Dafür
Autos gelten ja gemeinhin als Fahrzeuge. Sind sie aber gar nicht. Sie sind vor allem Parkzeuge. Studien zeigen: Durchschnittlich 23 Stunden pro Tag stehen Autos einfach nur herum. Kann das ein sinnvolles Konzept für den Verkehr der Zukunft sein? Zumal in Düsseldorf, wo die Quote Einwohner pro Auto mit 2,1 die höchste aller deutschen Großstädte ist und pro Pendler die zweithöchste? Die Konsequenzen sind klar, es gibt Staus und wertvoller Raum wird als Abstellfläche verschwendet. Machen wir es kurz: Das ist Ressourcenverschwendung, die sich niemand leisten kann.
Und sie ist nicht einmal notwendig. Etwa die Hälfte aller Autofahrten in Großstädten ist kürzer als fünf Kilometer. Ein Drittel davon ließe sich aufs Fahrrad verlagern, gerade in dieser Stadt der kurzen Wege.
Doch obwohl die Folgen des motorisierten Individualverkehrs auf der Hand liegen und in Form von Staus, Lärm, Abgasen sowie drohenden Fahrverboten tagtäglich viele Nerven, die Gesundheit, Zeit und damit Geld kosten, stellt sich keine Verkehrswende ein. Auch deswegen, weil die Stadt erstmal eine vernünftige Infrastruktur etwa für das Fahrrad schaffen muss. Das kann jedoch in einer nach dem Zweiten Weltkrieg als autogerecht geplanten Stadt nicht gehen, ohne dass der den Autofahrern überproportional zur Verfügung gestellte Raum umverteilt wird. Die dringend notwendige Verkehrswende kann also nicht funktionieren, ohne das Autofahrern wehgetan wird. Auf der Friedrichstraße ist das etwa mit dem Wegfall einer Autospur für Radfahrer bereits passiert. Die neuen Fahrradständer auf — nun ehemaligen — Parkplätzen für Autos sind ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, den die Stadt geht. Wahrscheinlich müssen wir als Autofahrer für einen ausgeprägteren Veränderungswillen sogar noch deutlicher spüren, dass es unbequemer wird. (Zum Beispiel mit deutlich höheren Parkgebühren, ja, auch für Anwohner.)
Zum Schluss ein Blick auf den Ärger vieler Anwohner, die nun mit etwas weniger Parkplätzen auskommen müssen. Um es ganz klar zu sagen: Es gibt keinen Anspruch von Bewohnern auf solch einen Parkplatz. Dazu ist die Kommune nicht verpflichtet. Doch es ist wie eigentlich immer mit gesellschaftlich notwendigen Veränderungen wie jetzt der Verkehrswende: Selbst wer grundsätzlich zustimmt, will sie bitte nicht vor der eigenen Haustür. Das Sankt-Florian-Prinzip lässt grüßen. Dabei ist die Aufregung völlig unberechtigt: Denn für 400 neue Fahrradstellplätze wurden gerade einmal 20 bis 25 Auto-Parkplätze aufgegeben, bei mehr als 300 000 in Düsseldorf gemeldeten Fahr-, pardon, Stehzeugen. Alexander Esch
Dagegen
Dass der Radverkehr in der Stadt gefördert werden soll, darüber herrscht praktisch Einigkeit. Mit viel PR, aber längst nicht ausreichend finanziert, wird für das Radverkehrskonzept getrommelt, dessen Verwirklichung im Norden vorerst nur eine Vision bleibt, weil niemand weiß, wann genug Geld fließt, um die geplanten Projekte tatsächlich umzusetzen. Dafür werden mit den Fahrradständern in den Stadtteilen in anderen Vierteln Fakten geschaffen. Der Ärger der Anwohner ist groß, denn so hatten sie sich den Start in die Mobilität der Zukunft nicht vorgestellt.
Dass in Stadtteilen wie Pempelfort, wo die Bürger ohnehin ihre liebe Mühe haben, einen Platz für ihr Auto zu finden, mal schnell etliche Parkplätze verschwinden, macht schlechte Laune. Zum einen, weil das neue Konzept für Fahrradstellplätze allenfalls in einem Nebensatz kommuniziert wurde. Wenn die Anwohner vor vollendete Tatsachen gestellt und vorher nicht informiert werden, sorgt das für Verärgerung. Zumindest in den Bezirksvertretungen hätte die Idee vorgestellt werden müssen. Daraus eine Nacht-und-Nebel-Aktion zu machen, wie sie von vielen empfunden wird, war ein Fehler. Offenbar wurde unterschätzt, wie wichtig den Betroffenen das Thema ist. Das zeigt einmal mehr das fehlende Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Bürgern.
Aber nicht nur das sorgt für Unmut. Es ist auch die Botschaft, die dahinter steht: Eine Förderung des Radverkehrs ist nur auf Kosten der Autofahrer möglich. Es wären sicher andere und fantasievollere Lösungen möglich gewesen, um Abstellplätze für Fahrräder zu schaffen. Die Ständer wirken auf viele Bürger so, als ob es der Verwaltung darum geht, ein Exempel zu statuieren. Das hat längst zu sehr emotionalen Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern geführt. Auch das hätte man sich sparen können, wenn im Vorfeld besser informiert worden wäre. Da hätte ja von den Bürgern noch manch sinnvolle Anregung aufgenommen werden können.
Letztendlich ist die Maßnahme handwerklich schlecht umgesetzt. Auf der gleichen Fläche, die jetzt zwei oder drei Parkplätze kostet, hätte man mit ein bisschen gutem Willen deutlich mehr Fahrräder unterbringen können. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob die neuen Ständer überhaupt angenommen werden. Wer ein teures Rad oder gar ein E-Bike hat, wird sich hüten, das nachts an der Straße stehen zu lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das gute Stück am nächsten Morgen nicht mehr da ist. So könnten die Abstellplätze alsbald eine Sammlung von Altmetall auf Rädern werden. Das braucht keiner.
Dieter Sieckmeyer