Programm „Gewaltfrei Lernen“: Mit Gorilla und Elefant gegen Gewalt

Beim Programm „Gewaltfrei Lernen“ üben Grundschüler, mit Konflikten umzugehen und sich zu behaupten.

Foto: Lepke

Düsseldorf. Merrit hat eine Elefantenhaut. Ein Schwung mit dem rechten Arm über ihren Kopf und die Neunjährige hat sie übergestreift. Dann korrigiert sie ihre Haltung. Sie streckt die Brust heraus, macht ihre Schultern gerade und hebt den Kopf. So kann ihr niemand mehr etwas anhaben. Auch nicht der fiese Drako, der ihr „Du Blödi stinkst ganz schön“ zuruft, während sie durch den Raum läuft.

Die Elefantenhaut stellen sich Merrit und ihre Klassenkameraden der vierten Klasse an der Gemeinschaftsgrundschule Urdenbach nur vor — als Schutzschild. Und auch Drako ist nicht echt, sondern nur ein Stofftier, das Trainerin Kathrin Stark in der Hand hält. Gemeinsam üben sie, mit Konflikten und schwierigen Situationen umzugehen. „Gewaltfrei Lernen“ heißt das Projekt, das in Kitas, Grund- und weiterführenden Schulen angeboten wird. In Urdenbach haben alle Klassen je drei Doppelstunden Training. Auch die Lehrer hatten so eine Fortbildung, so dass sie die Inhalte im Unterricht weiterführen können.

Auch wenn man vermutet, dass Gewalt an Grundschulen noch kein großes Thema ist, findet Stark es genau richtig, das Training hier zu beginnen. „Wir wollen eine Grundlage schaffen“, sagt sie. In den Einheiten geht es um drei zentrale Themen. Zum einen sollen die Schüler lernen, Emotionen zu erkennen. Wie sieht jemand aus, der wütend oder genervt ist? Und wie jemand, dem es gut geht? „Wir gehen dann auf besonders konfliktträchtige Gefühle ein und überlegen, wie man damit umgehen kann“, sagt Stark.

Die Schulsozialarbeiterin der Urdenbacher Schule, Sabine Borski, erklärt, warum das wichtig ist: „Wenn es hier mal zu körperlicher Gewalt kommt, ist das meist, weil sich Frust angestaut hat. Manche Kinder wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen — und schlagen oder schubsen dann.“ In Rollenspielen erproben sie solche Konfliktsituationen. Ein erster Schritt, sich ohne Gewalt zu wehren, ist zum Beispiel die „Stop-Hand“. Gemeinsam strecken sie in der Runde die Hand nach vorn und rufen im Chor „Stop! Ich mag das nicht“.

Die Stop-Hand sei es auch, die die Kinder schnell in den Schulalltag mitgenommen hätten, sagt Jana Saborowski, die Klassenlehrerin der Schüler, die gerade im Training sind. „Das haben viele schnell angewendet.“ Für Situationen, in denen es doch ruppiger zugeht, üben sie Griffe, um sich zum Beispiel zu lösen, wenn sie jemand festhält. Der „Gorilla-Griff“ ist einer davon, den die Schüler vorsichtig aneinander ausprobieren.

Für Lehrerin Saborowski ist aber das dritte Thema besonders wichtig. Mit kooperativen Spielen sei der Teamgeist in der Klassengemeinschaft gestärkt worden. „Ausgrenzung, also dass jemand nicht mitspielen darf oder gehänselt wird, kommt schon immer wieder vor“, sagt die Lehrerin. Das lasse sich vermeiden, wenn sich die Klasse mehr als Team fühlt. Auch das Selbstbewusstsein der einzelnen Schüler habe sich seit der ersten Stunde verbessert.

Ob Gewalt zugenommen hat und dadurch so ein Training nötig ist, kann Stark nicht genau sagen. „Es hat sich verändert“, meint sie. Früher seien körperliche Konflikte häufiger gewesen. Heute bemerke sie, dass Schüler sich eher auch verbal schnell angegriffen fühlten — das schlage oft in Wut um. Der Kurs soll helfen, damit besser zurecht zu kommen.