Rethelstraße: Neue Vorwürfe
Am dritten Verhandlungstag im Rotlicht-Prozess wurde endlich die Anklage verlesen.
Düsseldorf. Zwei Verhandlungstage lang ging es im Rotlicht—Prozess ausschließlich um juristisches Geplänkel. Am Montag wurde endlich die Anlage verlesen. Und damit wurden viele neue Details bekannt, was den neun Angeklagten um den mutmaßlichen Drahtzieher Thomas M. (48) vorgeworfen wird. Erstmals wurden alle 29 Einzelfälle aus der 638 Seiten starken Anklageschrift verlesen.
So sollen die Kunden in den Bordellen an der Rethelstraße und im Stundenhotel „La Viva“ nicht nur mit Kokain und Medikamenten willenlos gemacht worden sein, es soll auch Erpressung im Spiel gewesen sein.
So hatte ein Freier im Januar vor zwei Jahren 3000 Euro mit der Firmen-Kreditkarte bezahlt. Er ging am nächsten Tag zurück und bat den 32-jährigen Wirtschafter, die Summe aus Angst vor seinem Arbeitgeber zu stornieren. Stattdessen bezahlte er 5020 Euro mit seiner privaten Kreditkarte und musste später noch einmal 3500 Euro in zwei Raten „nachlegen“.
Ähnlich ging es einem Herrn, der nicht wollte, dass seine Ehefrau ihm auf die Schliche kommt. Er zahlte nach seinem Besuch noch einmal fast 3400 Euro nach — trotzdem wurde die Buchung nicht zurückgenommen. Ob die Ehe das überstanden hat, ist bislang unbekannt. Andere Gäste sollen viel Geld ausgegeben haben, ohne überhaupt eine Gegenleistung dafür erhalten zu haben.
So soll ein Mann nach dem mit Kokain und Medikamenten angereicherten Begrüßungsgetränk schon an der Bar eingeschlafen sein. Trotzdem wurden ihm 5787 Euro vom Konto abgebucht worden sein. Außerdem verschwanden — so die Staatsanwaltschaft — 1000 Euro aus seiner Geldbörse.
Ein anderer Freier soll morgens um 8.35 Uhr einen Kaffee getrunken haben, dem ein Cocktail aus Kokain und Medikamenten zugesetzt waren. Das kostete ihn 6725 Euro.
Insgesamt soll die Bande mit der Masche 290 867 Euro erbeutet haben. Außerdem haben Kunden Schuldscheine im Wert von 22 350 Euro unterschrieben haben. Hinzu kommen weitere Versuche, bei denen die Abbuchungen scheiterten. Das macht weitere 290 630 Euro aus. Allein bei einem Freier wurde offenbar versucht, in einer Nacht mehr als 84 000 Euro abzubuchen.
Entschieden wurde gestern auch, dass der Prozess nicht unterbrochen wird. Sowohl ein Befangenheitsantrag gegen die Kammer des Vorsitzenden Markus Fuchs als auch die Forderung nach Ablösung von Staatsanwältin Julia Hartmann wurden gestern abgelehnt.
Mehrere Rechtsanwälte hatten sich darüber beklagt, dass die Staatsanwältin nicht mehr neutral sei. Sie hätte das Strafverfahren gegen einen Polizisten wegen Geringfügigkeit eingestellt, der Reifen zerstochen hatte, damit in dem Auto von Thomas M. eine Wanze eingebaut werde konnte.
In einer Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft wurde mitgeteilt, dass nicht Julia Hartmann für die Einstellung verantwortlich sei. Das Strafverfahren sei vielmehr von einem ihrer Kollegen bearbeitet worden. Außerdem habe die Polizei Thomas M. nach der Observierung eine Schadensregulierung angeboten. Darum wurde der Antrag der Rechtsanwälte abgelehnt, Julia Hartmann zu ersetzen. Allerdings wird das Gericht die Akte des Strafverfahrens gegen den Polizisten heranziehen. Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt.