Richter im Wehrhahn-Prozess: „Es gibt keine Gewinner und Verlierer“

Selten wurde ein Verfahren so persönlich geführt. Das hat Wunden hinterlassen. Vor allem das Verhältnis zwischen dem Vorsitzenden Richter und dem Oberstaatsanwalt gilt als schwer belastet.

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Es war der ganz schnelle Abgang. Mit einem Tropenhütchen auf dem Kopf erschien der Angeklagte Ralf S. am Dienstag zum letzten Verhandlungstag vor dem Landgericht. Nach dem Freispruch huschte der 52-Jährige zügig an der langen Wand entlang Richtung Ausgang. Wortlos. Derweil versuchten andere, die richtigen Worte zu finden, um den Ausgang des Verfahrens zu kommentieren. Deutlich wurde, dass dieser Prozess Spuren hinterlassen hat. Vor allem das Verhältnis von Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück zum Vorsitzenden Richter Rainer Drees wurde auf eine harte Probe gestellt.

Dabei hatte Drees in seiner Urteilsbegründung versöhnliche Töne angeschlagen: „Es gibt keine Gewinner und Verlierer.“ Es sei auch richtig gewesen, den Prozess zu führen. Er betonte, dass man es sich nicht leicht gemacht und auch nicht aus einem Bauchgefühl heraus entschieden habe: „Das wäre der schlimmste Vorwurf, den man einer Kammer machen kann.“ Danach begründete er zwei Stunden lang das Urteil. Ruhig und ohne Schärfe erklärte Drees, warum man den beiden Hauptbelastungszeugen nicht glauben konnte und auch an den Aussagen der diversen Lebensgefährtinnen des Angeklagten Zweifel hatte.

Doch es war zu spät, um die Wogen am Ende des Verfahrens noch einmal zu glätten. Völlig gekippt war die Stimmung, nachdem es eine angebliche Morddrohung von Ralf S. gegen den Oberstaatsanwalt gegeben haben soll. Darüber hatte ein Mitgefangener berichtet, mit dem der Angeklagte in Krefeld eingesessen hatte. Die Anstaltsleitung hatte Rainer Drees darüber informiert, doch Herrenbrück will erst elf Tage später davon erfahren haben. Und machte dem Richter Vorwürfe, weil der ihn nicht persönlich informierte. „Persönlich zerrüttet“ sei das Verhältnis seitdem gewesen.

In seiner Urteilsbegründung ging Drees ausdrücklich noch einmal auf den Vorfall ein. Es habe keine zwei Stunden gedauert, bis er die Staatsanwaltschaft von der Morddrohung informiert habe. Warum diese Information nicht umgehend an Herrenbrück weitergeleitet wurde, konnte nicht geklärt werden. In den letzten Wochen des Verfahrens konnte man das Knistern zwischen den Beteiligten im Saal spüren, wenn sich Verteidigerin Hülya Karaman nicht gerade lautstarke Redeschlachten mit der Staatsanwaltschaft lieferte.

Kein Wunder, dass der Oberstaatsanwalt schon unmittelbar nach dem Urteil die Revision beim Bundesgerichtshof ankündigte. Ihn beschäftigt vor allem das Rätsel um den Mann auf dem Stromkasten, den eine Zeugin am Tatort gesehen hat. Bei ihm handelt es sich offenbar um den Täter, der die Rohrbombe am S-Bahnhof gezündet hat. Herrenbrück: „Nach deren Aussage wurde eine Phantomzeichnung angefertigt.“ Auf dem Bild habe eine ehemalige Lebensgefährtin Ralf S. sofort wiedererkannt: „Darauf ist das Gericht überhaupt nicht eingegangen.“

Ganz anders sieht das Hülya Karaman: „Es war das einzig richtige Urteil, zu dem das Gericht kommen konnte. Es war sehr ungewöhnlich, dass die Staatsanwaltschaft versucht hat, den Prozess über die Öffentlichkeit zu führen.“

Und die Opfer? „Ich habe mit meinem Mandanten noch nicht gesprochen,“ sagt Nebenklage-Anwalt Michael Rellmann. Er wisse aber, dass einige der Sprachschüler immer noch traumatisiert seien. Am schlimmsten habe es die Familie getroffen, die das Baby verloren hat: „Das Ehepaar hat sich getrennt.“ Die beiden haben auch nicht an dem Prozess teilgenommen.