Musik Kreator: „Es gab auch in Düsseldorf eine lebendige Metal-Szene“

Düsseldorf · Mille Petrozza (51) ist Frontmann der Band Kreator. Die gehört hinter den Giganten Metallica und Slayer zu den weltweit größten Acts des Genres.

 Mille Petrozza, Gitarrist und Sänger der deutschen Thrash-Metal-Band Kreator.

Mille Petrozza, Gitarrist und Sänger der deutschen Thrash-Metal-Band Kreator.

Foto: picture alliance / Christophe Ga/Christophe Gateau

Kreator haben in Clubs angefangen. Heutzutage haben Sie 36 Jahre auf dem Buckel, bringen in Wacken 90 000 Menschen zum Durchdrehen und sind aus den großen Hallen nicht mehr wegzudenken. Am Samstag treten Sie nun in der Halle an der Siegburger Straße auf.

Mille Petrozza: Ja, es hat sich alles ein wenig vergrößert. Und wir wollen unsere Show, mit der wir seit fast zwei Jahren unterwegs sind, zum Abschluss in etwas modifizierter Form präsentieren. Alles eine Stufe größer. Es gibt neue Effekte und Show-Elemente. Und dafür eignet sich eine Halle wie die in Düsseldorf perfekt.

Mit Dimmu Borgir und Hatebreed haben Sie zwei weitere Alphatiere aus der Szene mit dabei. Ist das schwere Konkurrenz?

Petrozza: Naja, wir suchen uns immer gute Bands aus, die mit uns spielen. Sie müssen nett sein. Sie müssen das Publikum unterhalten. Und sie müssen uns eine gute Challenge bieten, damit wir am Ende noch mal besonders reinhauen. Zudem war es unser Ziel, am Ende des Jahres noch mal ein kleines Festival aufzuziehen. Denn wir werden 2019 gar nicht live zu sehen sein und 2020 nur vielleicht. Ich brauche auf jeden Fall eine Pause.

Sind Sie ausgepowert?

Petrozza: Nein. Aber zum aktuellen Album „Gods Of Violence“ ist alles gesagt. Ich muss neue Lieder schreiben. Neue Musik machen. Damit meine ich etwas, was Hand und Fuß hat und in der heutigen Zeit noch Neues bietet. Das braucht eben seine Zeit.

Welche Erinnerungen haben Sie an die Halle in Düsseldorf?

Petrozza: Da habe ich sehr viele Konzerte gesehen. Auch früher, als es noch die Philipshalle war. Sogar mein erstes Konzert überhaupt: Iron Maiden. Da war ich vielleicht 16. Es ist eine Halle, die wirklich ideal für Konzerte ist und eigens dafür gemacht wurde. Das findet man heutzutage nicht mehr so häufig.

Sie kommen aus Essen. Das ist Ruhrpott. Dort war in den 80ern die Metal-Szene ein großes Ding. In Düsseldorf ging es dagegen seit jeher eher um Punk. Wie standen Sie früher zu Düsseldorf?

Petrozza: Ach, es gab auch in Düsseldorf eine Metal-Szene. Eine, die ich sogar als sehr lebendig erlebt habe. Und irgendwann hat sich das ja ohnehin alles miteinander vermischt, weil Düsseldorf und der Ruhrpott ja direkt nebeneinander liegen. Ich war und bin oft in Düsseldorf.

Eine große Musiknummer aus dieser Stadt sind Die Toten Hosen. Hatten Sie mit denen zu tun?

Petrozza: Ich habe mal einen Film gedreht, 1986, „Verlierer“ hieß der. Da habe ich tatsächlich mit Campino zusammen gespielt. Ansonsten habe ich nicht so viele Berührungspunkte mit den Jungs. Man kennt sich eben. Aber wenn sie zum Konzert am Samstag kommen wollen, sind sie natürlich willkommen. (lacht)

Und Kraftwerk?

Petrozza: Von Kraftwerk kenne ich sogar einen. Einen von denen, die irgendwann vor 30 Jahren oder so dazukamen. Sein Namen fällt mir aber jetzt leider nicht ein. Auf jeden Fall habe ich den mal im Studio kennengelernt. Und als wir uns bei einer Ausstellung wiedertrafen, kam er direkt auf mich zu und grüßte mich und ich dachte: Wow, Mille! Du kennst jemanden von Kraftwerk. (lacht)

Kraftwerk sind ein Gesamtkunstwerk. Kreator eigentlich auch?

Petrozza: Oh, das ist schwer zu sagen. Das musst du entscheiden. Aber ich denke, bei Kraftwerk geht es seit jeher um ganz andere Dinge. Ein Konzert von Kraftwerk ist ja eine richtige Kunst-Installation. Klar: Kreator-Shows sind auch inszeniert. Aber es geht eben am Ende um Thrash-Metal.

Sprich: Bei Kreator kommt eine deutliche körperliche Komponente hinzu.

Petrozza: So ist es. Als ich Kraftwerk zuletzt bei einem Konzert sah, standen die Musiker ja alle nur hinter ihren Pulten. Wir bei Kreator machen dagegen schon, nun ja, Sport. (lacht)

Kann man mit Thrash Metal heute, 36 Jahre nach der Gründung von Kreator, eigentlich noch jemanden schocken?

Petrozza: Ernsthaft: Was kann denn heute noch schocken? Natürlich gibt es noch genügend 15-Jährige, die daheim sitzen, laut Ektomorf hören, während sich die Mutter denkt: Was ist das denn für schreckliche Musik? Aber der Metal ist in einen schocklosen Zustand geraten. Das heißt allerdings nicht, dass diese Musik nicht immer noch unterhalten und vor allem provozieren kann.

Gehören zur Unterhaltung auch Babystrampler und Kindershirts von Iron Maiden oder AC/DC?

Petrozza: (lacht) Ja, auch so was. Die Leute wollen das eben. Und ehrlich gesagt: Irgendwie finde ich das auch witzig.

Wenn der Mille von früher Kreator heute auf der Bühne sehen würde - was würde er denken?

Petrozza: Gar nichts. Er würde direkt in den Moshpit vor die Bühne gezogen werden und mitmachen. Da wäre gar keine Zeit fürs Denken. (lacht)

Und was würden Sie Ihrem jüngeren Ich gern mit auf den Weg geben, wenn Sie die Gelegenheit dazu hättest?

Petrozza: Ich finde das gefährlich. Denn man würde dann ja in die eigene Geschichte eingreifen. Stichwort Zeitreisen. Also würde ich meinem jungen Ich gar keine Ratschläge geben. Außerdem: Zu meiner Entwicklung gehörte eben dazu, dass ich auch mal Fehler machen musste. Es gibt keinen geraden Weg. Auch wenn es vielleicht bei manchen Künstlern in deren Biografie so steht.

Gut. Also halten wir fest: Es gibt kein Bedauern bei Ihnen. Aber: Was war Ihr größter Fehler als Musiker?

Petrozza: Ich hätte in den 80er Jahren vielleicht nicht so naiv diversen Leuten vertrauen aus der Szene sollen – dann wäre auf der monetären Ebene vielleicht etwas mehr herausgesprungen. Aber trotzdem: Sogar das gehört zu meiner Entwicklung dazu. Insofern: Alles okay.

 Welcher Künstler fehlt Ihnen noch auf der „Muss ich live erlebt haben“-Liste?

Petrozza: (überlegt lange) Nick Cave sollte ich mir vielleicht einmal ansehen. Oder AC/DC.

Wie bitte? AC/DC haben Sie noch nie live gesehen?

Petrozza: Nein. Tatsächlich nicht. Hat sich nie ergeben. Und ohne Brian Johnson als Sänger macht das für mich derzeit auch keinen Sinn. Zuletzt war ja Axl Rose für ihn eingesprungen. Apropos Axl Rose: Ihn habe ich vor einigen Monaten mit Guns’n’Roses gesehen. Ich hatte Schlimmes befürchtet. Aber es war richtig, richtig gut. Genau das Richtige für mich. Denn ich lasse mich bei Konzerten sehr gerne überraschen.

Samstag, 18 Uhr, Mitsubishi Electric Halle, 48,50 Euro.