Düsseldorf Scientology: „Wir haben neue Mitglieder gewonnen“

Sektenexperte bezweifelt Angaben über Wachstum in Düsseldorf.

Die Scientology-Kirche im Gebäude Hermannstraße 3. Foto: Archiv

Foto: Arend

Düsseldorf. Ein kleines Papier im Briefkasten, darauf ein Steinzeitmensch in Schwarz-Weiß, der verzweifelt und ratlos an einem viereckigen Rad bastelt und sein triumphales Gegenstück in Farbe, das einen perfekten Kreis gemeißelt hat — darunter die Worte „Selbst denken“. Auf der Rückseite ein Coupon, um das Buch „Scientology: Die Grundlagen des Denkens“ zu bestellen — gebunden, als Taschen-, Hörbuch oder DVD. Lebenszeichen einer Organisation, die vor sechs Jahren mit dem Aufbau einer neuen „Kirche“ in Flingern und der Ankündigung eines sogwirksamen Zentrums wie in Berlin für Aufsehen sorgte. Und dann aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwand. Wie steht es inzwischen eigentlich mit Scientology in Düsseldorf?

Laut der Organisation selbst „ist eine Steigerung da“, seit das neue Zentrum bezogen wurde. Das erklärt zumindest Sprecherin Claudia Uhl: „Wir haben circa zehn bis 15 Prozent neue Mitglieder gewonnen.“ Dies seien etwa 1500 feste, aktive Mitglieder in zwei Düsseldorfer Gemeinden und noch einmal so viele „passive“. „Die meisten kommen aus Düsseldorf und dem unmittelbaren Einzugsgebiet — Meerbusch, Neuss, Krefeld, Langenfeld. Aber auch aus ganz NRW“, so Uhl.

Zahlen, die den Einschätzungen des NRW-Verfassungsschutzes, welcher Scientology seit 1997 beobachtet, zuwiderlaufen. Demnach hätten sich die Mitgliederzahlen bei rund 500 eingependelt. Auch Landespfarrer Andrew Schäfer vom Referat Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche im Rheinland hält die Zahlen der Organisation für „übertrieben“. Zwar habe es vor Jahren — gegen den Bundestrend — in NRW eine Steigerung gegeben, inzwischen stagnierten die Zahlen aber wohl eher.

Dennoch mahnt Schäfer zur Wachsamkeit: „Scientology weiß die Zeit zu nutzen, in der sie nicht im öffentlichen Fokus stehen.“ Die Vereinigung habe kein exorbitantes kurzfristiges Wachstum zum Ziel, sondern eine erfolgreiche Existenzsicherung eher über Jahrzehnte. Allerdings: „Ihre Ideologie ist auf Expansion angelegt.“ Wobei diese kaum auf Werbung im öffentlichen Raum oder Wurfsendungen fuße, sondern eher auf Multiplikatoren; etwa erfolgreichen Unternehmern in NRW, die sich als Scientologen bekennen.

Schäfer: „Ich halte es für falsch, zu sagen, das Thema Scientology sei durch.“ Man erlebe zum Beispiel Bemühungen, die kritische Behandlung der Organisation im Religionsunterricht zu verhindern. Schäfer selbst ist aber auch immer wieder in Gesprächen mit Vertretern von Scientology in Düsseldorf. „Das ist mir wichtig“, betont er — ebenso wie seine Ablehnung eines Verbotes: „Eine offene Gesellschaft wie unsere muss in der Auseinandersetzung mit dem scientologischen Wertesystem fertig werden.“