Sein Spielzeug sind die Tasten
Mit seinem Spiel rührte Jakov Zotov auch Angela Merkel. Der Zwölfjährige muss dafür jeden Tag drei Stunden üben.
Düsseldorf. Das stand nicht im Protokoll: Nachdem Jakov Zotov mit einem Potpourri jüdischer Lieder als Zugabe sein Konzert bei der Verleihung der Josef-Neuberger-Medaille im Schauspielhaus abgeschlossen hatte, stand Bundeskanzlerin Angela Merkel auf und bedankte sich bei dem Zwölfjährigen. "Cool" fand Jakov das, obwohl er noch keine Zeitung liest: "Aber ich weiß schon, dass das die wichtigste Frau in Deutschland ist."
Nicht nur die Kanzlerin war gerührt, nachdem Jakov zunächst die Humoreske von Rachmaninow und das Fantasio importo von Chopin in zauberhafter Weise dargeboten hatte. Dass bei den jüdischen Liedern viele der Zuhörer aufgestanden sind und sogar geweint haben, bekam der kleine Pianist gar nicht mit. "Wirklich?", fragte er seine Eltern am Donnerstag noch.
Nach dem Auftritt nahm sich Angela Merkel sogar noch Zeit, um mit der Familie zehn Minuten zu plaudern - auf Russisch, denn Jakovs Eltern sprechen noch nicht so gut Deutsch. "Russisch ist eine sehr schöne Sprache. Aber für die Integration ist es auch sehr wichtig, Deutsch zu lernen", sagte die Kanzlerin. "Deutsch ist auch eine schöne Sprache", bewies Jakov, dass er nicht auf den Mund gefallen ist.
Dass der Realschüler die Chance für den großen Auftritt bekam, hat er seiner Schwester Marena zu verdanken: "Wir suchen immer Möglichkeiten, dass Jakov vor Publikum spielen kann, damit er sich daran gewöhnt."
So ging sie zu Jörg Lorentz, der das Jüdische Gemeindehaus verwaltet. Zwei Familienkonzerte haben die Zotovs dort gegeben. Weil die ein voller Erfolg waren, durfte Jakov am Mittwochabend für die Kanzlerin spielen.
Die Liebe zur Musik ist offenbar erblich. "Das ist mein Großvater", zeigt Jakov stolz das Bild von Jakov Gierschmann. Der war Musikprofessor im russischen Kasan. Dort hat die Familie bis vor sechs Jahren gelebt. Zunächst ging Marena nach Düsseldorf, weil sie hier Freunde hatte.
Ein Jahr später zog auch Jakov mit seinen Eltern Wladimir und Liobov von der Wolga an den Rhein. "Wir wollten, dass er die besten Möglichkeiten hat, sich zu entwickeln", begründet die Mutter, die selbst eine ausgebildete Konzert-Pianistin ist, den Entschluss.
Der Erfolg hat seinen Preis. Drei Stunden täglich üben Mutter und Sohn in der Rather Wohnung am Klavier. Außerdem hat Jakov noch einen Musiklehrer in Brüssel. So oft es geht, nimmt er die lange Fahrt auf sich - für jeweils zwei Stunden Unterricht.
Das lässt keine Zeit für Freunde. Auch die Schule kommt manchmal zu kurz. Vor dem Auftritt am Mittwoch war Jakov zehn Tage lang freigestellt, weil er an einem Wettbewerb in Kassel teilnahm und noch ein weiteres Konzert spielte. Pauken muss er den Stoff nachträglich: Dafür kommt am Wochenende ein Nachhilfe-Lehrer.
Die Familie unterstützt ihn nach Kräften. "Aber das kostet alles viel Geld. Wir hoffen, dass wir Sponsoren finden, damit Jakov noch besser gefördert werden kann", wünscht sich die große Schwester. Wünsche hat auch der kleine Pianist: Er möchte eine CD aufnehmen und mit einem Orchester spielen.