Spiel zwischen Virtuosität und Verwirrung

Der junge Tasten-Star Daniil Trifonov gestaltete einen Klavierabend rund um Frédéric Chopin.

Foto: Susanne Diesner

Goldmedaillen und Erste Preise räumte der russische Pianist Daniil Trifonov, Jahrgang 1991, schon zuhauf ab. Selbst wenn er beim Warschauer Chopin-Wettbewerb „nur“ auf dem 3. Platz landete, gehört auch dies zu den Zeugnissen großen pianistischen Durchsetzungsvermögens. Kaum ein Klavier-Eleve kommt so weit. Der Name des 26-Jährigen ist in Zirkeln der Klassikhörer ein Begriff auf der ganzen Welt. Auch in Düsseldorf lockt er Musikliebhaber in Scharen an. Kein Wunder, dass die Tonhalle randvoll war, als Trifonov hier gastierte.

Zum Faszinierenden an Trifonov gehört seine Hingabe, mit der er den Tasten dient. Besonders auffallend tut er dies nach der Pause in Frédéric Chopins Zweiter Klaviersonate b-Moll, berühmt vor allem für den vorletzten Satz, der die Gestalt eines Trauermarsches besitzt. Für diese sehr getragene Passage wählt Trifonov ein Tempo, das noch langsamer ist als das, für das sich die meisten seiner Pianistenkollegen entscheiden.

Der junge Russe kostet jeden Akkord aus als bedeute er die ganze Welt. So verfährt er auch mit dem elegischen Dur-Mittelteil. Bei der Rückkehr des Trauermarsches nimmt sich der Pianist die künstlerische Freiheit, deutlich lauter zu spielen als in den Noten vorgeschrieben. Hier nimmt die Stelle schon den Charakter an von Siegfrieds Tod in Richard Wagners „Götterdämmerung“. Leider wirkt dieser Effekt ein wenig äußerlich. Und so etwas birgt immer die Gefahr, von der hohen Sphäre der Kunst in die Niederungen der bloßen Absichtserklärung abzugleiten. Nun ist Trifonov noch recht jung, kann sehr viel und will noch viel mehr. Der Gestaltungswille scheint enorm. Schon der erste Chopin-Satz kündet in seiner hochdramatischen Darbietung von der Motivation, an Grenzen zu gehen. Das erzeugt mal Spannung, stiftet aber zwischenzeitlich auch Verwirrung. Indes vermag Trifonov wiederum sehr sanft zu spielen und verfügt über einen schattierungsreichen Anschlag. Besonders differenziert setzt der Pianist diese Fähigkeit vor der Pause ein. In diesem ersten Konzertteil spielt er keine Werke von Chopin, sondern Stücke, die sich mit Chopins Musik auseinandersetzen. Dazu gehören die Variationen über ein Chopin-Prélude des Spaniers Federico Mompou (1893-1987). Sie erinnern teilweise an romantischen Jazz. In diesem Klangbereich findet Trifonov zu vielen reizvollen Farbnuancen.

Etwas überflüssig im Programm wirken Zwei-Minuten-Nummern wie Robert Schumanns kurzes Chopin-Porträt im „Carnaval“ op. 9. Das mag zum gesetzten Generalthema passen, wirkt aber eher konfus und konzertdramaturgisch überhaupt nicht zwingend. Im Reigen der Chopin-Hommagen dürfen natürlich auch nicht Sergej Rachmaninows Chopin-Variationen fehlen. Trifonov spielt die technisch anspruchsvollen Stücke überaus souverän, beinahe lässig. Die sehr virtuosen Passagen scheinen dem Interpreten keine Schwierigkeiten zu bereiten. All das beeindruckt schon sehr. Doch ein komplett mitreißender Abend wurde es nicht. Das Publikum applaudierte zwar heftig, aber nicht besonders lange. Und zu mehr als einer Zugabe konnte der Beifall Trifonov nicht bewegen.