Stadt-teilchen US-Wahl, Schmuddelwetter, Weihnachtsmarkt:

Stadt-teilchen US-Wahl, Schmuddelwetter, Weihnachtsmarkt:

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Düsseldorf. Im November will ich immer auswandern. Am liebsten der Sonne entgegen. November-Blues. Das rheinische Schmuddelwetter ist nur ein Grund. Im Monat der Totengedenktage werde ich regelmäßig zum Flüchtling vorm eigenen Gedenken an meinem Geburtstag. Klingt unrealistisch, aber aktuell will ich auch noch vor dem unglaublichen Wahlergebnis in den USA fliehen. Doch wohin?

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Immer, wenn ich auf der Welt irgendwo bin, wo es mir gefällt, frage ich mich: „Könnte ich hier leben?“. Gerade wieder in Berlin. Jedes Mal, wenn ich hinkomme, gerate ich in Versuchung, mir die deutsche Hauptstadt als Alterswohnsitz vorzustellen. Ein Freund und Kollege, selbst vor vielen Jahren zugewandert, verstärkt das Ansinnen mit seiner Frage: „Was willst Du eigentlich noch in deinem Düsseldingsda“?

Und schon bin ich in Verteidigungsposition: Düsseldorf ist eine Spontanität steigernde, meinem Lebensrhythmus entgegenkommende, zwar etwas provinzielle aber dennoch attraktive Lady, eine leicht zu lebende Ten-Minute-City mit Weltstadt-Ambitionen, während sein Berlin ein schlecht angezogener, zeitfressender Moloch ist - arm und so sexy auch wieder nicht.

Außerdem sind die Mieten dort längst nicht mehr niedriger als am Rhein. Und überhaupt ist es dort vielerorts viel zu schmuddelig - da könnte ich ja auch in hier in ein Stadt-Teilchen ziehen, wo stellenweise die Vorsilbe Müll nicht nur für die Verbrennungsanlage gilt. Oder gleich nach Köln auswandern.

Apropos Köln. „Düsseldorf? Das ist doch der Friedhof in Köln!“ Diese Aussage vernahm ich neulich nicht etwa wenige Kilometer rheinaufwärts, sondern im Tal, wo die Zitronen blühen, in Soller auf Mallorca. Von einem Rheinländer, der irgendwann als Topmanager in der Lebensmittelindustrie reif für die Insel war, wo er jetzt erfolgreich Zitrusfrüchte züchtet. Interessierten Besuchern hält er Vorträge über das einfache, gesunde, dennoch immer noch erfolgsorientierte Leben unter der mallorquinischen Sonne. Die scheint dort bekanntlich auch auf Andratx, das für nicht Wenige längst ein Stadt-Teilchen von Düsseldorf ist.

Also weiter weg. Auf meine Lieblingsinsel Lanzarote beispielsweise. Das Ankommen in meinem Dorf dort fühlt sich jedes Mal wieder an wie Nachhausekommen. Wenn ich mich dort in die Vulkane kuschele, träume ich jedes Mal von einer, meiner Ruine, die ich mir ausbaue — nur für mich. Doch der Traum ist und bleibt seit Jahrzehnten ein ewiger Rohbau. Auch weil im Zuge des Weltklimawandels die Kanaren längst keine „Inseln des ewigen Frühlings“ mehr sind. Die Winter, traditionelle Hochsaison dort, werden immer klammer, während hier im Düsseldorf zur Sommerszeit immer öfter tropische Temperaturen erreicht werden.

Also noch weiter weg. Hong Kong? Gehört zwar 2017 schon zwanzig Jahre wieder zu China, ist aber noch 30 Jahre Sonderverwaltungszone. Meine Freunde dort sind wahre Glückskekse, sie sagen mir immer eine sagenhafte Zukunft im „Duftenden Hafen“ (so die wörtliche Übersetzung von Hongkong) voraus. Dort habe ich die ganze Welt auf einem Felsen. Nirgendwo ist das Leben, ist die Luft dazu so dicht — höchstens vielleicht an der Corneliusstraße in Düsseldorf. Und Hot Pot und Hühnerfüße kann ich auch hier in little China Town zwischen Berliner Allee und Bahnhof bekommen. Den Jetlag dazu in der Altstadt.

Ja, warum hängt man, hänge ich so an meinem Düsseldingsda? Auch und gerade im November? Weil ich es einfach liebe, in diesen Tagen durch meine Stadt zu wandeln, in diesem nur hier in dieser Konsistenz erlebbaren halbtransparenten Nieselnebel, einem wunderbaren Weichzeichner, der selbst das Dröhnen der vielen Baustellen dämpft und ihre kaputten Bilder in Watte verpackt.

November-Blues. Es sind diese besinnlichen Tage zwischen dem Goldenen Oktober und der Eröffnung des Teilzeit-Stadtteilchens Weihnachtsmarkt. Wenn dort der Budenzauber beginnt, die Lichter angehen und Horden aus den Nachbarstaaten einfallen - seufz, da möchte ich schon wieder auswandern …