Stadt-Teilchen Auch an fremden Orten kann man sich heimisch fühlen
Düsseldorf. Manchmal kommt man auch als Ur-Bilker nicht umhin, Auswärtige zu treffen. Man kann sich seine Freunde nicht aussuchen, und so kommt es vor, dass manche aus anderen Stadtteilen stammen, aus Flingern, aus Eller, aus Oberkassel.
Und aus Wittlaer, einem Stadtteil, der so weit außerhalb liegt, dass man als Bilker für den Weg dorthin eigentlich ein Survivalpaket einpacken sollte.
Es gibt ja den Mittelweg. Das ganze Leben ist schließlich ein einziger Kompromiss, und so liegt es nahe, die bilateralen Verhandlungen auf neutralem Grund zu führen, irgendwo in der Mitte. Im Nordpark vielleicht? Warum nicht im Nordpark? Das ist von Bilk aus leicht zu erreichen. Und man muss sich auch in der Fremde auskennen. Bei gutem Wetter ist das kein Problem. Da radelt man den Fluss entlang, und irgendwann biegt man rechts ab und steht im Nordpark.
Nein, man steht nicht im Nordpark. Man steht mitten in einer Art Paradies. Ist das noch Düsseldorf, die Stadt am Abgrund mit den vielen Baustellen? Ja, ist es, und man sollte eine Sonnenbrille mitbringen, denn das hier ist so schön, dass es blendet. Gerade an einem schönen Sonnentag, der Spätsommer und Frühherbst zu vereinen sucht und dem Licht am Nachmittag diesen norwegischen Ton verleiht, der so klar und prägnant die Dinge umschmeichelt.
Ich rede nicht vom Japanischen Garten. Da war ich häufiger mal, das war immer nett. Schön anzusehen, angenehm für eine kleine Sonntagspromenade. Nein, die Sensation liegt weiter vorn. Es ist das Wasser, es sind die Spiele, die hier mit dem Nass veranstaltet werden. Natürlich kenne ich die seit meiner Kindheit. Zigmal bin ich hier schon gewesen, aber es gibt eben Orte, auf die man manchmal nochmal hingewiesen werden muss. „Ist das nicht schön?“
Die rhetorische Frage kam vom Freund aus Wittlaer. „Ja, is schön“, wollte ich schon brummeln und weitergehen. Ich lass mir doch nichts sagen. Schon gar nicht von einem aus Wittlaer. Aber dann fiel mein Blick auf diese nasse Pracht am Fontänenplatz, und auf einmal öffneten sich meine Augen.Ich war nicht fortzubewegen.
Wie das sprudelt. Wie sich die Fontänen da emporschwingen, um kurz danach wieder zusammenzusacken, wie sie miteinander tanzen, ein echtes Wasserballett veranstalten. Das ist ein purer Schmaus für die Augen. Dieser Schaum, diese Wucht, und gleichzeitig ist da diese filigrane Eleganz. In diesen Zeiten des so oft erlebten mentalen Mangels einer immer gleichförmiger dahinplätschernden Welt der pure Luxus. Richtig Düsseldorf wie es im Buche steht.
Fast möchte ich meine Begeisterung den direkt daneben dümpelnden Enten zurufen. „Schaut doch mal“, möchte ich sagen, weil ich die Sensation gerade erst wiederentdeckt habe, und was ich gerade entdeckt habe, ist immer neu, weil ich es ja gerade entdeckt habe. Dass es andere schon immer kennen und zu schätzen wissen? Mir doch egal.
Dabei sind die Fontänen erst die halbe Miete. Natürlich lockt irgendwann die Wasserachse nebendran. Die dünkt mir plötzlich wie ein antikes Bauwerk mit fein geschwungenen Bögen. Der Raum unter den Wasserstrahlen wirkt wie eine Kathedrale und evoziert unverzüglich den Wunsch, da einmal durchzulaufen. Aber durchlaufen ist nicht. Das würde diese Symmetrie stören, diese Demonstration des raumgreifenden Elements Wasser.
Einmal drumherum gegangen und am Ostrand stehen geblieben, die Achse entlang geschaut. Auf einmal erscheint über dem Ende der Achse ein richtig dickes Flugzeug. Ja, klar, die Einflugschneise von Büderich ist in Sicht. Für den Bruchteil einer Sekunden keimt die Phantasie, dass dieses Fluggerät gleich hier in der Achse wassert, dass es eins wird mit dieser Pracht, dass dann die Passagiere wohlbehalten aussteigen und gleich pitschenass werden.
Ein kurzer Versuch, auch hier in Kontemplation zu versinken, innere Einkehr zu probieren. Ein verlassener weißer Stuhl steht nah am Wasser. Drauf gesetzt und Ruhe probiert. Aber Ruhe geht nicht. Alles hier ist Erregung. Ruhe ist woanders. In meinem Kopf spielt die Wassermusik, in meinen Augen spiegelt sich die Gischt, in meinen Ohren ein Rausch.
Auch im Bekannten können Sensationen liegen. So wie im Nordpark. Ist das Leben nicht schön am Rhein? Da erträgt man sogar, dass man Freunde hat, die im falschen Stadtteil wohnen.