Stadt-Teilchen Da oben bin ich Teil meiner Stadt — ich bin die Stadt!
Der Blick von hohen Gebäuden auf das Gewusel da unten ist wirklich erhebend:
Düsseldorf. Es gibt ja ein paar Vorteile für Menschen, die Texte für Zeitungen verfassen. Wenn sie etwas interessiert, dann tun sie einfach so, als sei ihr Interesse dienstlich, und dann öffnen sich ihnen Türen, die Normalsterblichen verschlossen bleiben. Ich habe das schon ein paarmal ausgenutzt und private Wissensgier zur investigativen Pflicht veredelt. Damit habe ich es nach ganz oben geschafft. Also wirklich ganz nach oben.
Wer wollte nicht schon mal an den höchsten Punkten von Düsseldorf stehen und hinabschauen auf das quirlige Gewusel zu seinen Füßen? Auf einmal sieht die Stadt ganz anders aus. Jeder kann das ermessen, der einmal auf dem Rheinturm war. An Tagen mit guter Sicht reicht der Blick dort bis nach Köln und an den Eifelrand.
Und wenn man ganz mutig ist, kann man sich in die schrägen Scheiben legen und ganz kurz freien Fall simulieren. Ich weiß, ich kann nicht fallen. Das Glas ist dick und gut verankert. Wirklich? Es ist dieser letzte Rest von Ungewissheit, der die Höhe so interessant macht. Wer ganz hoch klettert, kann ganz tief fallen. Das ist Naturgesetz. Das ist aber auch der Thrill.
Nicht an allen Hoch-Orten kann man sich so fein ängstigen. Die meisten anderen bieten tolle Sicht, und die Insassen halten fein Abstand zu den Rändern. So wie im Gap 15. Ich war da mal ganz oben. Dienstlich, versteht sich. Und ich habe mich gewundert, dass die Menschen dort überhaupt zum Arbeiten kommen. Ich könnte das nicht. Ich stünde den ganzen Tag am Fenster und würde hinter dickem Glas schauen, wie die Schiffe lautlos den Rhein entlang tuckern, wie die Straßenbahnen still den Graf-Adolf-Platz durchschneiden, wie Lkw ihre Bahn ziehen.
Als altgedienter Modelleisenbahner sucht man dort oben unwillkürlich nach dem Trafo, mit dem man die Geschicke der Ameisen da unten lenken kann. Man steht da oben nicht nur über allem, man fühlt sich auch ein wenig erhaben. König der Welt? Hmmm. König von Düsseldorf? Ja, das wäre ein Job, zu dem ich nicht nein sagen würde.
Auch im Arag-Haus stellt sich rasch das Gefühl ein. Dort im 28. Stock wirkt zusätzlich die Weite. Ich war mal dort und habe mit einem Kölner gesprochen. Der hat mir mit feuchten Augen erklärt, dass er bei gutem Wetter den Dom sehen kann.
Mein persönlicher Höhepunkt auf meiner persönlichen Düsseldorfer Gipfeltour war indes mein Besuch im Tower des Flughafens. Nirgends sonst ist die Welt so klar strukturiert wie dort, wo die Menschen Sachen wie „Two Kilo Whisky“ sagen und damit keine Bestellung für eine ordentliche Menge bewusstseinserweiternder Flüssigkeit aufgeben.
Es herrschte traumhaftes Wetter, als ich dort war. Früher Abend. Ich konnte sehen, wie sich von rechts die Lichter näherten. Sie kamen aus der langsam aufsteigenden Dämmerung. Viele Lichter. Lichter in Reihe. Von Essen schwebten sie heran, wurden größer, immer größer, bis aus den Lichtern Flugzeuge wurden, die irgendwann ihre Räder auf die Landebahn setzten. Gleichzeitig näherte sich links gerade die Sonne dem Horizont, und immer wieder stiegen Flugmaschinen mit unglaublicher Eleganz auf. Ich fragte mich für einen kurzen Moment, warum die Fluglotsen nicht täglich ein bisschen wahnsinniger werden. Bei diesem Anblick!
Mich hat es förmlich aus den Socken gehoben. Düsseldorf von ganz oben. Überwältigend. Und es wirkt noch immer nach. Wer einmal ganz oben war, nimmt von dort etwas mit. Wenn ich nun am Fuße des Gap oder des Rheinturms stehe, kann ich mich jederzeit hochphantasieren, kann mich selbst von oben sehen.
Ich bin dann ganz klein und ganz groß zugleich. Ich bin Teil meiner Stadt, und ich bin die Stadt. Ich bin Düsseldorf. Glücklicher kann man nicht sein.