Stadt-Teilchen Das Glück wohnt gleich nebenan: So klappt’s auch mit dem Nachbarn
Nun wird es doch noch Sommer. Das Leben verlagert sich nach draußen. Es wird gefeiert und gegrillt in der Nachbarschaft. Hier und da verbunden mit einer freundlichen Einladung. Es kann aber auch zu einer unfreundlichen Aufladung der Stimmung untereinander kommen.
Wegen Ruhestörung. Je nachdem. Nicht nur Familie kann man sich bekanntlich nicht aussuchen, auch Nachbarn nur bedingt.
Besonders wenn man in einer verdichteten Stadt wie Düsseldorf lebt. Da kann es gleichzeitig sehr eng werden, gleichsam auch sehr einsam, weil der eine den anderen nicht kennt, ihm so gut wie nie begegnet. Anders als auf dem Land. Dort ist Nachbarschaft ein weites Feld. Oft liegen Kilometer zwischen dem einen und anderen Anwesen. Und dennoch lebt man — gefühlt — in einem kuschelig kontrollierten Miteinander.
Doch wie viel Nachbarschaft braucht der Mensch? Im Allgemeinen? Und der Single im Besonderen? Wie schon Paracelsus sagte: Die Dosis macht das Gift. Ich erinnere mich an Zeiten in denen es üblich war, neue Nachbarn beim Einzug mit Brot und Salz willkommen zu heißen. Nicht nur aus purer Nächstenliebe. Eine wohldosierte Prise Neugier war wohl auch dabei.
Waren Brot und Eis gebrochen, konnte man sich anschließend gegenseitig bei Bedarf ein Ei oder eine Tasse Mehl, ein Bier oder die Bohrmaschine leihen, sich auf einen Kaffee und Wein einladen oder im Sommer miteinander grillen.
Solcherart Nachbarschaft funktioniert allerdings nur von Mensch zu Mensch. Weniger, wenn der Nachbar eine Kneipe mit Außenterrasse in Derendorf, ein industrieller Stinkstiefel in Holthausen oder gar ein regionaler Flughafen in Lohausen ist. Gefühlte Probleme kann’s auch schon geben, wenn der neue Nachbar aus einem fremden Kulturkreis kommt. Da fremdelt oft sogar der ansonsten offene Rheinländer. Je feiner das Viertel, desto eher. Und doch gibt es gerade in unserer smarten Zeit offensichtlich so etwas wie Sehnsucht nach dem Nächsten — im Haus, in der Straße, im Kiez. Facebook ersetzt eben nicht Face-to-Face. Aber Nachbarschaft im engeren Sinne kann scheinbar wie Facebook funktionieren. Doch ulkigerweise müssen sich selbst technikverliebte Kommunikations-Experten für den Erstkontakt uralter Kommunikations-Methoden bedienen.
Wer weiß noch, was eine Postwurfsendung ist? Vielleicht besser Flyer? Ein solcher flatterte mir vor einigen Wochen in den Briefkasten: „Hallo liebe Nachbarn in der Altstadt, wir würden uns freuen, mit euch in Kontakt zu treten.“ Wir? Das waren meine bisher unbekannten Nachbarinnen Suzanne aus der Ratinger und Verena aus der Graben-Straße. Die haben eine Nachbarschaftsplattform eingerichtet: www.nebenan.de/altstadt-duesseldorf.
Warum nicht? Die sollen mich kennen lernen. Also registriere ich mich und schreibe sie sogar persönlich an. Doch irgendwie verfängt sich meine Antwort wohl im Netz — keine Antwort. Stattdessen lerne ich seitdem ganz viele Nachbarn zwar nicht wirklich kennen, aber zumindest habe ich sie schon mal auf’m Schirm.
Die sehen alle so gut aus!? Ist das vielleicht eine verkappte Single-Börse, so unter dem Motto: Das Glück wohnt gleich nebenan? Düsseldorf ist ja die Single-Hochburg in NRW. In mehr als der Hälfte seiner Haushalte hocken Einzelpersonen. In Trend-Stadt-Teilchen wie Pempelfort oder Stadtmitte sind es sogar zwei Drittel. Apropos Pempelfort. Dort bediente sich das Start-up noch vorsintflutlicher Erstkontaktmöglichkeiten als in der Altstadt. Die Suchanzeigen waren an Bäume gepinnt, wie man es von vermissten Katzen kennt. Oder gar Steckbriefen: Nachbar verzweifelt gesucht!
Taugt vielleicht sogar als Immobilienbörse? Die eine verliert ihre Wohnung, möchte aber im Kiez bleiben. Ein Anderer weiß dann schon, wo sie vielleicht ihren neuen Vermieter treffen könnte. Toll! Leider erfahre ich nicht, ob etwas daraus geworden ist. Ein dritter sucht einen Lagerraum. Ganz viele suchen eine Garage oder einen Stellplatz. Keine Antwort drauf. Wie auch in der Altstadt?
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Macher von nebenan beileibe keine Nachbarn sind. Sie sitzen in Berlin. Und sind von daher nicht nur in Pempelfort, Golzheim oder im Zooviertel aktiv, sondern auch schon erfolgreich in München. Bisher ist alles kostenlos. Meine Daten sollen nicht verraten (auch nicht verkauft?) werden. Doch irgendwie erinnert mich das schon wieder an die kuschelige Kontrolliertheit alter Dorfgemeinschaften mit neuen Mitteln. Ich werde mal mit meinem Nachbar Peter darüber sprechen. Der hat übrigens, kurz nachdem er eingezogen war, alle im Haus zu einer Cocktail-Party eingeladen. So klappt’s auch mit dem Nachbarn. . .