Stadt-Teilchen Opel GT: Nur Fliegen war schöner — Es begann und es endete im Hafen

Eine Hommage zum 50. Geburtstag des Opel GT: Erinnerungen an eine tragische Liebesgeschichte.

Foto: Inge Hufschlag

Düsseldorf. Diese Augen! Dieses Blau. In die hab’ ich mich als erstes verliebt. Der Augenaufschlag erinnerte mich an meine Lieblingspuppe aus Kindertagen. Ein Traum-Typ mit einer absolut tollen Figur, geschwungene Taille, ausgeprägte seitliche Muskeln. Und erst das scharfe Hinterteil mit Abrisskante. Opel GT, dessen 50. Geburtstag gerade gefeiert wird.

Liebe macht automatisch blind. Ich war auf der Stelle bereit, meinen Alten in den Wind zu schießen. Dabei war der Alte meine Jugendliebe: ein Karmann Ghia, flaschengrün mit elfenbeinfarbenem Dach. Von ihm hatte ich schon als Fahrschülerin geträumt. Wie eifersüchtig war ich auf die junge Kollegin aus gutem Hause, die ihn zuerst hatte. Natürlich von den Eltern finanziert.

Meinen habe ich mir Jahre später hart erarbeiten müssen, aus zweiter Hand. Die erste gehörte einer Chef-Sekretärin von Bayer Uerdingen. Die machte sie sich aber nicht schmutzig, das Auto wurde von Untergebenen gepflegt. So war es noch gut in Schuss, als ich es übernahm. So gut, dass sich die Freundin meines Tankwarts sich in ihn verliebte. Keine Chance! Er gehört zu mir.

Der Tankwart in der damals noch ziemlich authentischen Hafengegend galt als Spezialist für alte Schätzchen. Er polierte auch den VW Porsche der damaligen Werbe-Legende Thomas Rempen. Doch den fand ich doof — den Wagen, nicht den Werber. Das Teil sah doch aus wie ein unentschlossener Papi-Porsche. Mein VW-Frauen-Porsche war schöner. Bis, ja, bis mein Tankwart mich Mitte der 1980er Jahre mit verschwörerischer Miene und der Bemerkung „Ich hab’ da was in Arbeit“ in seine Halle zog und eine Haube lüftete, unter der sich (siehe Foto) diese verführerische Figur abzeichnete. Ein Märchenprinz auf Rädern: Opel GT.

Damals geschah etwas bei mir: eine Verlagerung der Leidenschaften. Kennt man ja vom Fremdgehen: Mein Karmännchen erschien mir plötzlich nur noch bieder. Das war meinem Tankwart nicht entgangen: Er legte sofort einen Gang zu und fragte unschuldig, was ich denn noch für meinen Alten haben wollte. Könnte man ja mit dem Neuen verrechnen.

Das ernüchterte auch mich für einen Augenblick. Cool erkundigte ich mich nach dem technischen Zustand des eventuellen neuen Gefährten. Sollte man nicht nur bei Automobilen so machen. Zugegeben: Ein tolles Auto könnte man mir heute noch ohne innere Werte andrehen. Ich würde wahrscheinlich nicht mal gucken, ob ein Motor drin ist.

Gut, dass mein Nachbar Harry im Hafen eine Grube hatte. Harry arbeitete bei Henkel, bastelte als gelernter Automechaniker aber noch gut und gerne nebenher an Karossen rum. Schrauber Harry ließ sich denn auch nicht von den blauen Augen meines Neuen beeindrucken, sondern klopfte den Typen erstmal gründlich ab. Sein Urteil: Gut in Schuss. Ihm fehlte eigentlich nichts, außer zwei Aufsätzen an der verchromten Stoßstange.

Ok, ich zahlte drauf. Aber wer tut das nicht schon mal beim Partnertausch? Wir Drei von der Tankstelle waren glücklich: Der Tankwart, seine Freundin und ich mit meinem neuen Traum-Typen. Mein Mehrwert: Bewunderung, Bestätigung, plus eine Prise Neid. Das zahlte sich aus. Ich war selbstständig damals, arbeitete in der Werbe-Branche, dort musste man auch erstmal sich selbst verkaufen, bevor man einen Spruch für viel Geld absetzen konnte.

Nur Fliegen war schöner. Wir hatten eine wunderbare Zeit miteinander, mein Opel GT und ich. Ich spendierte ihm sogar die beiden Aufsätze für die Stoßstange. Sie sahen aus wie silberne Designer-Erdnussschälchen und kosteten ein kleines Vermögen. Ich wollte mir gar nicht ausdenken, was es kosten könnte, wenn er mal seine Schlafaugen nicht mehr aufbekäme. Deshalb half ich ihm jedes Mal sehr einfühlsam dabei.

Aber so weit sollte es gar nicht erst kommen. Unsere Liebesgeschichte endete so jäh, wie sie begonnen hatte. Eines Morgens, an einem regnerischen Tag auf der Lausward, übersah ein aus einer Stichstraße von Kappes Hamm kommender Mercedes-Fahrer ein Stopp-Schild und krachte volle Pulle in die langgezogene Schnauze meines Sport-Coupés. Ich hatte ihn gesehen, er mich nicht. Die Straße war nass, ich hatte keine Chance. Das Kultauto hatte zwar Top-Bremsen, aber noch unelastischen Gurte, so dass ich locker beim Aufprall aufs Lenkrad knallte. Unsere beiden Schnauzen waren demoliert, unsere Schönheit dahin.

Ich landete mittelschwer verletzt mit einer Gehirnerschütterung im hafennahen Martinus-Krankenhaus, mein Gefährt wurde als halblanger Totalschaden in den Hafen geschleppt. Was nun? Werbe-Kollege Charles Wilp hätte sich so etwas als Objekt an die Wand gehängt. Solchen Anblick hätte ich nicht ertragen. Schließlich inserierte ich das, was von meinem Traum-Auto übrig geblieben war, in einer GT Club-Zeitschrift. Internet war noch nicht. Die Verkaufsanzeigen in der Loseblattsammlung lasen sich wie heute Selbstbeschreibungen bei Elite-Partner. Und, siehe da: Es meldete sich tatsächlich ein Liebhaber. Aus Ostfriesland.

An einem Nebeltag tauchte aus weißen Schwaden ein Tieflader auf unserem Hafengrundstück auf. Ganz große GT-Oper. Der Fahrer und sein Vater luden schweigend mein Schrottauto auf, blätterten wortlos — ohne erwartetes Feilschen — den geforderten Preis hin. Ich stand da mit den Scheinen in der Hand und fühlte mich nur noch mies. So ganz ohne Emotionen konnte ich dann doch nicht loslassen. Was denn nun aus ihm werden würde, meinem geliebten Opel GT, wollte ich weinerlich wissen. „Ich habe noch drei halbe“ sprach der Ostfriese und verschwand mit meiner besseren Hälfte im Nebel.