Selbstgebrühter aus der Dröppelminna ist die Krönung
Wir leben in Zeiten von K und K: Kaffee und Kommunikation.
Die Dame in der Friedrichstadt-Filiale dieser Shops, die mir „jede Woche eine neue Welt“ versprechen, hält mir einen Becher mit einem Schluck brauner Brühe hin: „Hier! Probieren Sie mal!“ Mach ich. Und, was soll ich sagen? Kalter Kaffee! Macht mich mürrisch. „Was kostet denn das Kilo?“, frage ich. Die Verkäuferin schüttelt ihre blonde Mähne und flötet: „Das ist kein Kilo, das sind Kapseln.“ Aaach! „Und was kostet dann so ein Kilo in Kapseln?“ Sie schaut mich an wie das Auslaufmodell einer Kaffeemaschine: „Das wird nicht in Kilos verkauft, nur in Kapseln.“
Wenn ich keinen guten Kaffee kriege, kann ich krawallig werden: „Wie viel Kaffee ist denn in so einer Kapsel?“ Da müsse sie nachgucken, denn: „Das hat noch nie jemand gefragt“, sagt sie. Das Ergebnis: „7,5 Gramm.“ Gut, weiter im Text: „Was kostet dann hochgerechnet ein Kilo in Kapseln?“ Die Dame scheint überfordert. Ich will mal nicht so sein: „Was das hier kostet, wissen wir jetzt nicht, aber im Durchschnitt sind es so zwischen 50 und 80 Euro fürs Kilo“, triumphiere ich. Betretenes Staunen im Shop.
Die Filialleiterin kommt ihrer Mitarbeiterin zu Hilfe: „So kann man das nicht rechnen. Die Kunden kaufen ja ein System. Das ist für Leute, die gern mal zwischendurch ein Tässchen trinken, die schauen nicht auf den Preis.“ Und dann hat sie noch einen Trumpf in der Tasse: „Denken Sie doch nur mal an all den Kaffee, der weggeschüttet wird.“
Nicht die Bohne interessiere ich mich für dieses Maschinchen, das aussieht wie ein zu kurz gekommener Mini-Roboter. Kapsel-Kaffee überzeugt mich nicht. Noch nicht mal im Kaffee-Tempel an der Kö, wo die Miniportiönchen wie Pralinen oder farbige Edelsteine feilgeboten werden. Da kann George Clooney noch so viel Werbung dafür machen.
Zugegebenermaßen kaufe ich, seit ich mein Elternhaus und mit ihm Omas Selbstgebrühten aus der Dröppelminna (mit einer Prise Salz und Kakao) verlassen habe, meinen Kaffee beim Discounter. Für mich bis heute die Krönung und für die meisten meiner Freunde auch: frisch gepresst aus der Glaskanne, ohne Filter. Ich will ja nicht auch noch gebleichte Papierfusseln im Mund haben.
Überhaupt wurde und wird über Kaffee, seinen Genuss und dessen Folgen ja viel Kokolores erzählt. Er führe dem Körper nicht wirklich Flüssigkeit zu, hieß es lange Zeit. Längst widerlegt. Kaffee putscht auf. Manchmal kann er auch müde machen. Und bei zu viel sogar eine Art Kaffee-Schwips auslösen. Aber das Dollste aus der Kaffeebüchse ist doch: Kaffeegenuss senkt das Selbstmordrisiko. Wollen die Forscher von der Harvard School of Public Health herausgefunden haben. Womöglich aus dem Kaffeesatz gelesen?
Obwohl, da könnte was dran sein. Der Beweis: die Düsseldorfer Kaffeekultur. 2012 brachten sich in Düsseldorf 41 Menschen um. 2011 waren es noch 60, im Jahr 2002 sogar 78. Da gab es auch noch nicht an fast jeder Ecke eine Kaffee-Tanke, Filialisten wie Starbucks und Woyton. Dort sieht man diese selbst schon fast verkapselt wirkenden Singles sitzen in plüschigen Sesseln. Mit Smartphone, Tablet und Kaffeebecher fühlen sie sich unter ihresgleichen gleich nicht mehr so einsam. Wofür also umbringen? Wo doch auch noch Lieblings-Plätze locken — vom vornehmen Selbströster übers Engels Café in der Carlstadt, der Kaffee-Wache in Pempelfort bis hin zum Bauern-Café auf der anderen Rheinseite.
Es gibt aber noch einen, zwar weniger erforschten, dennoch nicht von der Hand zu weisenden Zusammenhang: nämlich den zwischen Kaffee und Qualitäts-Journalismus. Eine Erkenntnis, die auf jahrzehntelangen Erfahrungen in diversen Zeitungsredaktionen fußt. Der Klassiker — oft heute noch: In der Zentrale steht eine Kaffeemaschine, die fast immer verkalkt ist, laut zischt und entsprechende Geräusche von sich gibt.
Ganz früher brachte jeder mal ein Pfund Kaffee mit. Oder auch nicht. Es war oft keiner da, in einer Zeitungsredaktion katastrophal für die Produktion, kommt kurz hinterm Papiermangel. Denn hier gilt: Kaffee = Kommunikation. Und der muss frisch sein — wie eine Meldung. In der Kaffeeküche wird eine Strichliste geführt, wer, wann, wie viele Tassen zapft. Dafür wandern wenige 10-Cent-Stücke in die Kaffeekasse, wofür dann neuer Kaffee gekauft werden kann. Manchmal ist sogar ein Überschuss drin.
In der Redaktion der Zeitung, die sie gerade lesen — vielleicht am Samstagmorgen genüsslich bei einem Tässchen Kaffee — hat seit geraumer Zeit eine vollautomatische Marken-Maschine das alte Brüh-Monster mit der abgestandenen Bitternis abgelöst. Der Lokal-Chef (der übrigens die Strichliste anführt) lobt die Aroma-Übertragung auf die Berichterstattung im Blatt. Sozusagen mit mehr Milchschaum. Kann die Neue nämlich auch. Vielleicht schmeckt man das ja beim Lesen. . .