Düsseldorf Stadt-Teilchen Düsseldorfs grüne Lunge hat sich erholt

Stadt-Teilchen Düsseldorfs grüne Lunge hat sich erholt — alles grünt und blüht schön

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Der Weg war schon lange Zeit nicht mehr mein Ziel: der durch den Hofgarten. Viel zu laut und verstaubt die Grüne Lunge der Stadt, seit für den Kö-Bogen und auch noch danach praktisch unaufhörlich am offenen Herzen der Stadt operiert wird und dafür offensichtlich der gesamte Bauchraum aufgerissen werden muss. Heimatgefühlte offene Wunden, die einfach nicht heilen wollen.

Foto: Judith Michaelis

Als ich gerade laufen konnte, ist meine Oma mit mir oft zum Märchenbrunnen gegangen und hat mir die Geschichte vom Froschkönig erzählt. Später bin dort gerne frühmorgens gejoggt. Kurze Strecke vom Opernhaus immer geradeaus, durch die Unterführung auf die Reitallee bis zu deren Ende und wieder zurück. Sporttherapeutisch bestimmt belanglos, weil außerhalb des aerobischen Bereichs, erklärte mir ein Sportsfreund.

Foto: Judith Michaelis

Egal. Mir hat’s jedenfalls immer was gebracht, sei es, dass hinter der Oper die Kulissen zur Fahrt nach Duisburg verladen wurden und ich dann rätselte, zu welchem Werk sie wohl gehören könnten.

Die erste Begegnung prägt bekanntlich den ganzen Tag. Und die war dann eben nicht in der Firma, sondern im Freien.

In Freiheit sozusagen. Im Sommer begegnete ich Kollegen, die früher dran, mir mit dem Rad voraus waren und mir fröhlich „bis gleich“ zuriefen, derweil ich versuchte, ungelenke Tai-Chi-Übungen ausführte, Gleichgewicht probte— von wegen innerer Gelassenheit für den kommenden Tag.

Ganz gerührt war ich, als sich dabei einmal ein Vogel auf meine ausgestreckte Hand setzte. Von wegen. Der gefiederte Freund dachte, ich halte ihm was zu Futtern hin. Im Winter hatte ich dann Sonnenblumenkerne in der Jogginghosentasche. Szenen wie in Venedig auf dem Markusplatz.

Die Rinde von meinem Lieblingsbaum, einem Ginkgo, fühlte sich auch bei Minustemperaturen wunderbarerweise immer ganz warm an. Mein Freund der Baum, so viel älter und weiser als ich. Wenn frühmorgens Raufreif über den Wegen lag, hatte ich manchmal den Park ganz für mich alleine. Nur die dicken Heavy-Metals-Melinas an der Jacobi-Straße, diese nach der Quadriennale sitzen gelassenen Weiber, guckten mir griesgrämig zu.

Aber dann war’s plötzlich vorbei mit der Ruhe in meinem Hofgarten. Der Park versperrt, die Unterführung zugeschüttet, auf den Wiesen lagerte Baumaterial, drum herum nur noch brüllhustende Staublunge. Anfangs trotzte ich dem Chaos, konnte ihm sogar das eine oder andere abgewinnen. Hatte ich früher nach einem Sturm schon mal Zweige für die Vase aufgesammelt (öfter auch schon mal eine Brieftasche mit Papieren, die ich dann in der Polizeiwache ablieferte, die ja am Weg lag), ließen mich die Bauarbeiter aus einem Abfall-Container zwei kaputte Schaufeln angeln. Was ich damit wollte, wollten sie wissen und hielten mich sicher für komplett bekloppt, als ich freudestrahlend was von „Stilbruch“ und „Sinnbild des Kö-Bogens“ murmelte.

Nachdem Ela der Zerstörung des Hofgartens den Rest gegeben hatte, habe ich den Park endgültig gemieden. Kein Ziel mehr für mich, höchstens ein flotter Durchgang von A nach B. Doch in diesem regnerischen Frühsommer, oh Wunder. Ganz neue Perspektiven: Blumenwiesen wie auf der Alm mit Korn- und Mohnblumen inmitten beinahe hüfthohen Gräsern. Stolz recken die neu gepflanzten Bäumchen ihre üppigen Krönchen. Drumherum die Alten wie Beschützer. In einer großen Pfütze spiegelt sich der bunte Garten, der zu einem abstrakten Gemälde verschwimmt, nachdem zwei Enten auf ihn geflogen sind.

Aufatmen: Die grüne Lunge hat sich erholt. Wiederentdeckung meines Hofgartens. Wie schön. Auch mein Freund, der Baum, ist nicht tot, sondern hat sozusagen eine neue künstliche Hüfte, die ihn aufrecht hält. Ich werde ihn wohl jetzt wieder öfter besuchen. Der Kö-Bogen am Stil sollte übrigens später ein originelles Geschenk für die Bauherren abgeben. Aber dazu kam es leider nicht: Vor seinem Abtransport entsorgte die Putzfrau das lässig an die Wand gelehnte Teil getreu dem Motto: Ist das Kunst, oder kann das weg? Mein Trost: Auch Beuys ist so was schon passiert.