Stadt-Teilchen Wenn man mit dem Auto, aus Heerdt kommend, aus dem Rheinalleetunnel wieder auftaucht
Düsseldorf. Es gibt in dieser Stadt Orte, die sind eindeutig schön. Im Hofgarten oder im Südpark finden sich da leicht Beispiele. Es gibt aber auch Orte, die sind sehr eindeutig hässlich.
Beim Bertha-von Suttner-Platz etwa dürfte wohl niemand von Schönheit schwärmen. Das ist ein Ort, der allenfalls als Transferzone taugt, als Raum, den es schnellstens zu verlassen gilt. Hässlich. Hässlich. Hässlich.
Dann sind da noch jene Orte, an denen die Einschätzung, ob sie nun schön oder hässlich sind, verschwimmen. Was dem einen das Herz glühen lässt, sorgt beim anderen für eine gerümpfte Nase. Manche Hochhäuser etwa betören mit aufragender Eleganz die einen, sind den anderen aber Stahl, Glas und Beton gewordene Menschenverachtung.
Und dann gibt es den schönsten Ort in der Stadt, einen Ort, dessen Magie sich wohl niemand entziehen kann, der ihn je durchreist hat. Ja, durchreist. An diesem Ort ist nämlich schwer verweilen, denn an ihm herrscht striktes Halteverbot, und Fußgänger sind an ihm komplett unerwünscht. Dieser Ort ist auch Transferzone, er scheidet den Underground von beinahe überirdischer Anmut. Man kann an ihm nicht verweilen, man kann ihn nur durcheilen. Er ist von flüchtiger Art, und er entfaltet seinen Zauber immer nur für Sekunden. Die aber haben es in sich.
Die Rede ist von jenem Moment, in dem man von Heerdt kommend den Rheinalleetunnel verlässt und sein Gefährt auf die Kniebrücke rollen lässt. Viele Menschen tun das jeden Tag und werden nun fragen, was daran magisch sein soll. Die Antwort ist eindeutig: Meistens nichts. Schon gar nicht am Morgen.
Da fährt man gegen die aufgehende Sonne, die blendet und die Gesichter noch ein wenig fahler erscheinen lässt als sie zu früher Stunde eh schon sind. Nein, es geht, je nach Jahreszeit, um den späten Nachmittag, um den frühen Abend. Es muss diese Zeit sein, in der man aus dem Tunnel ans Licht fährt.
Wieder werden welche fragen, was diese Fahrt denn so besonders mache, und die Antwort wird erneut lauten: nichts. Nichts, außer vielleicht die Erinnerung an jene wenigen Tage, da die Stadt gerade ein heftiges Gewitter überstanden hat. Ein Gewitter, das den Osten der Stadt immer noch tiefschwarz färbt, während sich die Sonne von Westen aus kurz vor ihrem Untergang noch einmal durch die Wolken kämpft und die Rheinfront gülden färbt. Doch, es ist Gold, es muss Gold sein, das da glüht, das den Eindruck nährt, dass man endlich, endlich mal dem Topf am Ende des Regenbogens nahe ist.
Wer in einem solchen Moment aus dem Rheinalleetunnel herausfährt und auf die Kniebrücke schwebt, kann leicht zur Gefahr werden, denn er ist für Sekundenbruchteile nicht bei Sinnen. Er wird überwältig von der Kraft dieses Anblicks, dieses monumentalen Gemäldes, das Natur und menschliches Werk zur Symbiose führt, das von einer Erhabenheit zeugt, die das Schlucken schwer macht.
Zugegeben, es passiert nicht oft, dass alle Bedingungen stimmen, aber es passiert. Wer es einmal erlebt hat, der wird erleuchtet sein, der wird sich vielleicht sogar fragen, welcher Kirche man denn angehören muss, um öfter solche Erlebnisse haben zu dürfen.
Nie ist Düsseldorf schöner als nach dem Sturm, in dem Moment, da die Stadt durchatmet und sich wärmt im Glanz der Abendsonne. In dem Moment gibt es keine schönere Stadt als Düsseldorf. Solche Momente würden sogar streng heimatgläubige Kölner in Konvertiten verwandeln.
Leider funktioniert dieses Erlebnis nur im mobilen Prozess. Alle Versuche, einen Ort an der westlichen Rheinfront zu finden, an dem die Magie ähnlich wirkt, an dem man ihrer quasi länger habhaft werden könnte, sind gescheitert. Stationäre Magie geht nicht.
Vielleicht ist es ja gerade das Flüchtige, diese temporäre Begrenzung, die den Anblick so tief einbrennt in die Seele, dass man umgehend mehr davon möchte. Bekommt man aber nicht. Also gilt es zu haushalten mit dem Gefühl, es tief im Inneren zu speichern und immer dann abzurufen, wenn mal Zweifel drohen.
Dann muss man, wo immer man auch ist, kurz die Augen schließen, und in Gedanken aus dem Tunnel emporfahren, über den Rhein schweben und das Gold inhalieren. Dauert nur Sekunden. Wirkt aber für ein Leben.