Düsseldorf-Buch Thomas Geisels Anekdoten über sich und die Stadt

Düsseldorf · „Düsseldorf persönlich“ heißt das Buch des OBs. Die 26 Kapitel sind an Orten und Geschichten aufgehangen – manchmal ist das gut gelungen, manchmal nicht.

Thomas Geisel hat ein Buch geschrieben – das Cover ziert sein Radschlag am Rathaus  2014.

Foto: Droste Verlag

Als Oberbürgermeister Thomas Geisel am Dienstag im Rathaus sein Buch vorstellte, begann er die Pressekonferenz mit einem für ihn so typischen Satz: „Viele Leute haben mich als erstes gefragt: Wie schaffst du das denn noch, ein Buch zu schreiben?“. Subtext: Klar, ich habe als OB wahnsinnig viel zu tun, aber ich schaffe so was trotzdem.  Die Ideen zu den Orten, die er beschreibt,  seien ihm bei zwei Langstreckenflügen gekommen. „Geschrieben habe ich dann ganz früh am Morgen.“ Um etwaigen Beckmessern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, betont er mehrfach, es seien ja nur Anekdoten, Erinnerungen, die ihm in den Sinn gekommen seien und die er dann flott aufgeschrieben habe.

Mit der Wahl in diesem Jahr hat das Buch natürlich gar  nichts zu tun, sagt Geisel, „ich hätte es lieber gesehen, wenn es rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft fertig geworden wäre“. Ein Honorar bekomme er vom Droste-Verlag übrigens nicht, sagt er auf Nachfrage.

Nicht immer hat der Lektor streng genug hingeschaut

Und, wie gut ist das Buch? Keine literarische oder erkenntnistheoretische Erleuchtung, aber auch keineswegs schlecht, lässt sich die Bewertung kurz zusammenfassen. Geisel nimmt sich 26 Orte in der Stadt und hängt an ihnen seine Gedanken auf. Er schreibt durchaus flott und gut lesbar. Ab und an hätte man sich freilich ein sorgfältigeres und energischeres Lektorat gewünscht. Zum Beispiel gleich im ersten Kapitel „Dreischeibenhaus“, wo Geisel schildert, wie er in seinen neuen „Kiez“ am Dreieck zieht und schreibt, das Viertel sei „genauso durchmischt und durchrast (um es im Sprachduktus von Edmund Stoiber auszudrücken), wie ich es aus Berlin kannte“. Das fehlende „s“ in „durchrasst“ geschenkt, ist dieses Stoiber-Zitat an sich völlig deplatziert.

Haus Gantenberg, Stadthalle, „Station Airport“, Rathaus, Garath, Festwiese oder Rheinstadion: In diesen und weiteren Kapiteln stellt Geisel den jeweiligen Ort immer erst einmal vor. Das gerät manchmal ein wenig lexikonhaft und wäre in einigen Fällen auch nicht nötig gewesen. Dann folgen mehr oder weniger persönliche Erinnerungen an die Orte und/oder an Begebenheiten.

Manches liest man gerne, vor allem, wenn Geisel wirklich mal persönlich wird. Wenn er zum Beispiel schildert, wie er, der Protestant, verheiratet mit einer Katholikin, in der Kreuzkirche Presbyter wurde. Oder wie es seine evangelischen  Töchter in die katholische Kita „Heilige Dreifaltigkeit“ schafften. Auch die Beziehung zur Tonhalle und ihrem Chefdirigenten Adam Fischer kommt überzeugend rüber, ebenso wie die Erinnerung an die gute Aufnahme der Flüchtlinge am Flughafen-Bahnhof im Sommer 2015 mit der großen Hilfsbereitschaft so vieler Düsseldorfer. Gelungen auch seine Gedanken zur Yitzhak-Rabin-Schule und dem großen Wert der Jüdischen Gemeinde.

Anderes ist schwach. Bei „Brauhäuser“ erfährt man nichts darüber, wie Geisel diese Institutionen rheinischer Lebensart erlebt und sieht, stattdessen kommt bloß eine weitschweifige Lobeshymne auf die „Düsseldorfer Jonges“.  Seine an sich  spannende Frage „Hört beim Karneval der Spaß auf?“ bleibt unbeantwortet, weil Geisel in dem Kapitel nur über seine diversen Kostüme (und die seiner Frau Vera) von Bert Wollersheim bis Charlie Chaplin und deren öffentlicher Wirkung plaudert.  Unklar bleibt auch, was ihn mit den Stadtteilen Hamm und Niederkassel verbindet,  abgesehen davon, dass er bei der Stichwahl 2014 auch im „tiefschwarzen Kappes-Hamm“ die absolute Mehrheit geholt hat.

Sparkasse, Rau-Flughafen, Tour de France: Streit kommt auch vor

Das ist dann der Geisel, der neulich in Tokio zu seinen japanischen Gastgebern sagte, natürlich komme er nächstes Jahr zu den olympischen Spielen zurück, und hinzufügte: „Aber keine Sorge, nicht als Sportler.“ Wenn man als Zuhörer in so einem Moment schlecht gelaunt ist, denkt man sich: Ja, natürlich nicht! Es gibt ja auch keine Sportart, in der  du wirklich was kannst. Wenn aber Geisel selbst diesem Satz jungenhaft und herzlich hinterherlacht, kann man das bei ihm so oft mitschwingende Eigenlob einfach nicht ernst und ihm auch nicht übel nehmen. Im Rathaus hat das schon vor fünf Jahren ein hoher Verwaltungsbeamter treffend so formuliert: „Der Kerl gibt an wie ne Tüte Mücken, kommt dabei aber trotzdem sympathisch rüber.“

Im Buch bleibt Geisel in Sachen Eigenlob und Rechtfertigungen in einem erträglichen Rahmen. Nur: unpolitisch und eine bloße „Ansammlung von Anekdoten“ sind die 152 Seiten auch nicht. Der „Kämpfer“ Geisel kann es nicht lassen, sich noch einmal an einigen größeren Scharmützeln im Rathaus und in der Stadtgesellschaft abzuarbeiten. So schildert er im Kapitel „Berliner Allee 33“, wie er im „Sparkassenstreit“ am Ende siegte; beim „Ehrenhof“ schreibt er, warum die Kritik an den Tour-de-France-Kosten „unwürdig“ war; genau wie die Torpedierung seines Versuchs (und dem von Hannelore Kraft), den Flughafen nach Johannes Rau zu benennen. Dabei machte er eine Bruchlandung, im Buch ist er aber immer noch überzeugt, dass „Rau“ eine prima Idee war. Nachvollziehbarer sind da seine Betrachtungen zum bizarren Streit um das Ed-Sheeran-Konzert, das in der Tat vor allem aufgrund von reichlich Panikmache und Missgunst in der Politik durchfiel.

Verstörend schulmeisterhaft das Kapitel „Schloss Jägerhof“, das er offenbar nur aufgenommen hat, um dem Goethe-Museum noch einmal schriftlich zu geben, wie verstaubt, langweilig und im Grunde überflüssig es ist. Bemerkenswert auch, um es vornehm auszudrücken, ist Geisels Rückschau auf den Wirbel, den seine Video-Frage  auslöste, ob man das Schauspielhaus aufgrund des unabsehbaren Sanierungsbedarfes nicht besser abreiße und neu baue. In der Stadtgesellschaft schlug ihm daraufhin breite Ablehnung, ja Empörung entgegen. Diese Debatte aber hat laut Geisel, nun kommt’s,  dazu geführt, dass sich im Stadtrat alle Fraktionen zur Sanierung des Schauspielhauses bekannten, und: „Darüber war ich naturgemäß sehr glücklich.“ Ach so. Das ist lustig.

Ein Wort zu den vielen schönen Fotos von Uwe Schaffmeister: Sie sind qualitativ durchweg erstklassig. Aber viele kommen sehr hochglanzmäßig rüber und passen eher in einen Kalender oder eine Werbebroschüre und weniger in ein „persönliches“ Buch.

Das substanziell stärkste Kapitel hat der Düsseldorfer Schriftsteller und Kabarettist Jens Prüss am Ende des Buches geschrieben („Hashtag: #Keiner von uns“). Vorderhand nimmt er darin die bis heute nicht ganz verstummte, dümmliche Kritik am OB als eines schwäbischen Zugereisten auseinander. Und bekennt sich selbst als Anhänger des „Humanisten Geisel“. Tatsächlich liefert Prüss dann aber viel mehr, nämlich eine ebenso heitere wie stimmige Analyse der düsseldorferschen Mentalitätsgeschichte seit der Schlacht von Worringen. Wobei als Kronzeugen unter anderen Dieter Forte, David Bowie, Lore Lorentz oder Konrad Beikircher aufgerufen werden. Prüss charakterisiert Düsseldorf  dabei zusammenfassend und durchaus in Abgrenzung zu Nachbarstädten als tolerante „Einwanderungsstadt“, was im bisweilen grotesk selbstverliebten Köln in der Tat weniger zutrifft.

Ja, man kann in Düsseldorf auch als Ostfriese oder Schwabe reüssieren, wenn man ansonsten ganz in Ordnung ist. Schon der aus dem Osten zugereisten großen Kabarettistin Lore Lorentz fiel auf, dass man hier nicht groß nach seiner Herkunft gefragt wird. Stattdessen heiße es: „Lass sehen, was du kannst, zeig, wie du bist“! In Ordnung, genehmigt, Düsseldorfer!“


Thomas Geisel, „Düsseldorf persönlich“, Droste-Verlag, 152 Seiten, 18 Euro.