Tonhallenchef Michael Becker im Interview

Der Tonhallenchef Michael Becker hat die Besucherzahlen gesteigert. Mit unserer Redaktion spricht er über das Produkt Musik.

Düsseldorf. Tonhallen-Intendant Michael Becker über den neuen Stil des Konzertbetriebs und sich wandelnde Erwartungen bei den Besuchern.

Herr Becker, zum neuen Stil der Tonhalle gehört auch ein Jahresprogrammheft, auf dem das hübsch verträumte Gesicht einer jungen Dame abgebildet ist. Warum zeigen Sie nicht lieber einen Musiker?

Michael Becker: Was am ermüdendsten ist in der Musikszene, ist das Erwartbare. Eine bekannte Musikerpersönlichkeit mit einem bekannten Instrument in Händen. Aber meine Auffassung ist es, dass Menschen das Haus betreten und ein Gefühl damit verbinden. Übrigens ist das Mädchen auf dem Cover eine Teilnehmerin aus der Filmwerkstatt für unsere Reihe „3-2-1-Ignition“ und hat damit schon einen Bezug zur Tonhalle.

Nun gut, aber könnte man mit einem solchen Foto nicht genauso gut Parfum verkaufen?

Becker: Ja sicherlich, aber daran sehe ich nichts Schlechtes. Parfum ist doch im Idealfall auch ein Kunstwerk. Dennoch meine ich, man muss das in unserem Fall anders betrachten. Ich liebe Musik, muss aber ganz kühl sehen: Wir haben ein Produkt, das wir zwar toll finden, es aber einem Publikum verkaufen müssen, das unter anderen Voraussetzungen in ein Konzert geht als das früher der Fall war.

Um was für ein Publikum handelt es sich dabei?

Becker: Es gibt immer mehr Menschen, die nicht mit betonierten Erwartungen ins Konzert gehen, sondern auch schon mal blauäugig und mit Neugier. Es gehört ja kein Bildungshintergrund zum Genießen eines Konzerts. Und ich glaube auch, dass noch viel mehr Menschen ohne Hintergrundwissen klassische Musik schön finden.

Um Wissenslücken zu schließen, geben Sie ja regelmäßig einführende Worte mit auf den Weg kurz vor Konzertbeginn — nicht zur Begeisterung aller …

Becker: Für den Konzert-Fundamentalisten ist es eine Zumutung, wenn jemand redet. Doch diejenigen, die unvoreingenommen und ohne besondere musikalische Bildung in die Tonhalle kommen, können sich durch eine kurze Einführung besser geerdet fühlen. Wir geben uns ja immer Mühe mit der Kombination der Werke, so dass diese inhaltlich zueinander passen. Dem Laien würde das nicht auffallen. Wenn man es ihm aber sagt, fällt es ihm auch auf. Dafür, dass sich Vorgebildete an ihrem Herrschaftswissen erfreuen, sind wir nicht zuständig.

Sie legen bei der Präsentation des Programms ja so viel Wert auf Gefühle. Sind Sie ein Romantiker?

Becker: Ich halte mich für einen ausgesprochenen Romantiker, nicht beruflich, sondern als Mensch. Musik berührt mich emotional.

Das wirkt in einer Zeit, in der etwa Opernintendanten an der „Entzauberung“ von Kunst arbeiten, etwas altmodisch, oder?

Becker: Na ja, Opernintendanten sind da in einer anderen Situation. Sobald jemand Hand anlegt an die „Meistersinger“ oder „Tosca“, so besteht die Anforderung einer zeitgemäßen Aufführung. Solche Fragen stellen sich bei einer Symphonie von Brahms oder Schumann ja nicht unbedingt.

Apropos Schumann: Sie sind im nächsten Jahr auch Intendant des Schumann-Festes, das vom 24. Mai bis 4. Juni in Düsseldorf stattfindet. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Becker: Wir wollen uns mit drei wichtigen Aspekten bei Schumann beschäftigen und zwar der Poesie, der Jugendförderung und der kammermusikalischen Intimität. Dabei soll es nicht nur um Schumann selbst gehen, sondern auch um seine Nachfolger, seien es nun Brahms, den er intensiv förderte, Barber oder die Beatles.