„Stop Mutilation“ in Düsseldorf Düsseldorfer Verein schützt Frauen und Mädchen vor Beschneidung
Pempelfort · Den afrikanisch-asiatischen Brauch gibt es auch in Deutschland, sagt Jawahir Cumar von „Stop Mutilation“.
Nur auf den ersten Blick erscheint der Brauch fern von Deutschland zu sein, denn hauptsächlich in 33 Ländern Afrikas sowie in Südostasien und Nord-Irak gibt es die Tradition, Mädchen und junge Frauen zu beschneiden. Bei dieser Prozedur wird die Klitoris ganz oder teilweise entfernt, oft ohne Betäubung. „Aber dieser 5000 Jahre alte Brauch betrifft auch Frauen und Mädchen in Deutschland“, sagt Jawahir Cumar. In NRW etwa gebe es 15 000 betroffene Frauen und mehr als 20 000 gefährdete Mädchen. Um sie vor der Beschneidung zu bewahren, hat Jawahir Cumar in 1996 „Stop Mutilation“ gegründet. In 2009 konnte der Verein eine kleine Beratungsstelle an der Himmelgeister Straße beziehen, kürzlich wurden weitere Räume an der Roßstraße eröffnet.
Die Beschneidung von Mädchen und Frauen ist in Deutschland verboten, es drohen den Müttern und Beschneiderinnen bis zu 15 Jahre Haft. „Das wissen aber die Frauen oft gar nicht, für viele Migranten und Migrantinnen ist diese Tradition ganz selbstverständlich“, sagt Cumar, die aus Somalia stammt und als Elfjährige nach Düsseldorf kam. Bei einem Besuch in ihrer alten Heimat war sie schockiert, dass der Brauch noch vollzogen wurde und sie gründete in Düsseldorf den Verein.
Auch in Europa gebe es noch Beschneiderinnen, die umherziehen und für ein Honorar die Genitalien der Mädchen verstümmeln. „Indem wir die Mütter über die Beschneidung als Straftat aufklären, lassen sie von ihren Vorhaben manchmal ab“, sagt Cumar. Ein großes Problem sei, wenn die hier lebenden Mütter mit ihren Töchtern in ihre Heimatländer gelockt werden. „Großmütter flehen, sie möchten ihre Enkelinnen sehen“, erklärt Cumar. Mutter und Tochter fahren in die Dörfer und Städte Afrikas oder Asiens, werden von ihren Töchtern getrennt, die dann beschnitten werden. „Wir sagen den Müttern hier, dass sie keinesfalls mit den Mädchen zurück nach Afrika oder Asien dürfen“, sagt die 46-jährige Vereinsleiterin. Aber immer wieder kommt es vor, so erzählt sie, dass sich hiesige Erzieherinnen an sie wenden. „Sie berichten nach den Ferien, dass Mädchen völlig verstört sind, Schmerzen oder große Problem beim Toilettengang haben.“ Daher gehört zu den Aufgaben von „Stop Mutilation“, in Schulen und Kitas aufzuklären, aber auch in Heimen für Geflüchtete, auch Hausbesuche sind möglich.
Gynäkologische und kunsttherapeutische Begleitung
Die neuen Büroräume an der Roßstraße sind für die Beratung ein großer Fortschritt. Es gibt zwei Zimmer für persönliche Gespräche, zudem einen Raum, in dem die Kinder währenddessen spielen können sowie ein gynäkologisches Untersuchungszimmer. Eine kunsttherapeutische Begleitung leistet überdies die Künstlerin Eva Schneehorst-Pfeifer. Drei weibliche und eine männliche Honorarkraft arbeiten in der Beratungsstelle, zudem zwei Gynäkologen.
In 2021 wurden 823 Beratungsgespräche geführt: 520 mit Frauen, 40 mit Jugendlichen und 263 mit Männern, zum Beispiel mit allein stehenden Vätern. „Erst vor Kurzem berichtete uns ein Vater, seine Mutter wolle ihre Enkelinnen sehen“, erzählt Jawahir Cumar. Durch die Information des Vereins erfuhr er, was seine Mutter wohl vorhatte und widersetzte sich der Tradition. Die Töchter wurden vor der Beschneidung bewahrt, sowie zuvor schon 41 weitere Mädchen in 2021.
Der Brauch der weiblichen Beschneidung sei eine grausame Form der Unterdrückung von Frauen, sagt Cumar. Nur eine beschnittene Frau sei rein, ein Mann würde zum Beispiel nicht das Essen annehmen, wäre es von einer nicht-beschnittenen Frau gekocht.
Oft würde die Beschneidung wie ein großes Fest zelebriert, bei dem die sechs bis zwölfjährigen Mädchen nicht wissen, was passieren wird. Hinterher würde ihnen gesagt, sie dürften nie wieder darüber sprechen, „daher warnen die älteren Mädchen ihre jüngeren Geschwister nicht“. Dieses Schweigen aufzubrechen, sei eine der wichtigen Aufgaben von „Stop Mutilation“. Der Verein arbeitet auch mit der Diakonie, der Frauenberatungsstelle und der Kirche zusammen. Finanziert wird „Stop Mutilation“ von der Stadt Düsseldorf.
Stop Mutilation, Roßstraße 31 und Himmelgeister Straße 107g, Telefon 0211 93885791