Interview Vom Ritchie von den Toten Hosen: „Es war ein ausgefülltes, aber auch stressiges Jahr“

Düsseldorf · Vom Ritchie, der Schlagzeuger der Toten Hosen, blickt auf 2019 zurück: Ein Jahr, in dem nicht nur mit den Hosen viel Neues passierte.

Vom Ritchie ist der Drummer der Toten Hosen und Teil der Band Cryssis.

Foto: Gabo

Vom Ritchie, 2019 war viel los. Das Ende der Tour Ihrer Band Cryssis durch Argentinien mit der Veröffentlichung einer neuen Single. Und allem voran natürlich die Festivals mit den Toten Hosen sowie die Auftritte mit ihnen „Ohne Strom“ in der Tonhalle, die sie in Ton und Bild veröffentlicht haben. Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Vom Ritchie: Es war ein schönes, ausgefülltes, aber auch extrem stressiges Jahr. Wir kamen mit den Hosen quasi direkt von der Festival-Tour nach Hause und fingen sofort mit der Vorbereitung der Unplugged-Shows an. Das bedeutete mitunter drei Wochen am Stück ohne einen wirklichen Tag Pause. Wir haben viel geprobt – alleine, weil wir dieses Mal sehr viele Musiker dabei hatten und wirklich bis zum Schluss an den Arrangements gefeilt haben. Und das war schon hart. Da hatte ich schon zu kämpfen. Denn ich arbeite traditionell nicht so gut, wenn ich nicht wenigstens einen Tag Ruhe habe. Dann bekomme ich echte Stresssymptome: Ausschlag im Gesicht zum Beispiel. Und ich bin dann auch beim Spielen nicht auf der Höhe. Ich muss zwischendurch einfach mal Ruhe haben, um mir Dinge durch den Kopf gehen zu lassen. Ich denke, ich habe auch nicht meine beste Leistung bei den Konzerten in der Tonhalle gebracht. Nichtsdestotrotz: Ich stieß an Grenzen, aber: Es war eine fantastische Erfahrung. Und es ist ein fantastisches Album daraus geworden. Die Leute lieben es.

Wird das intime Unplugged-Konzept denn auch bei der Tour durch die großen Arenen im kommenden Jahr klappen?

Ritchie: Absolut. Das wird sogar noch besser. Weil wir alleine durch die Bläser, die dabei sind, so unheimlich laut sind. Das ist Wahnsinn. Eine große Wucht. Und das wird richtig, richtig gut. Ich muss nur noch mit diesen Plastikwänden klarkommen, die bei den Unplugged-Konzerten um mein Schlagzeug herum aufgestellt werden müssen, damit der Schall sich nicht so extrem ausbreitet. Da fühle ich mich wie in einer Duschkabine. In einer Duschkabine, in der ich aber nicht duschen kann. Nicht schön. Ich hoffe, ich werde befreit! (lacht)

Was halten Sie eigentlich von der unter Fans ausgiebig diskutierten Single „Feiern im Regen“?

Ritchie: Ich finde den Song toll. Ich muss nicht so viel tun. Er ist einfach zu spielen. (lacht) Aber vor allem: Er klingt ein bisschen nach dem großartigen Lied „All the young dudes“ von David Bowie, das ja auch Mott The Hoople erfolgreich gecovert haben. Okay: Als wir das Stück aufnahmen, war der Text für Campino noch sehr neu. Er war rhythmisch noch nicht so drin. Jetzt hat er ihn aber voll drauf. Es ist einfacher für ihn. Und wenn wir den Song live spielen, klappt er auch entsprechend hervorragend.

Gibt es 2020 ein neues Album von Ihrer Herzensband Cryssis, die Sie mit Ihrem Jugendfreund Dick York erfolgreich betreiben?

Ritchie: Ich denke schon. Dick schickt mir ständig neue Songideen zu. Und viele davon sind großartig und auch schon fast fertig bearbeitet – mit viel Reggae und Punk. Wir sind im Januar und Februar auf Tour – unter anderem im Zakk als Vorband von Montreal und im Haus der Jugend. Da wird es schon den einen oder anderen neuen Song zu hören geben. Danach soll es dann an die Aufnahmen gehen.

Nun stehen allerdings erstmal die Shows mit Ihrem Freund TV Smith im Düsseldorfer „Pitcher“ an. Das ist ja ein kleiner Marathon kurz vorm Fest.

Ritchie: Ja, das stimmt. Und diese Konzerte haben noch eine Besonderheit: Wir spielen Freitag, Samstag und Sonntag jeweils am Abend. Und weil die Auftritte alle schon ausverkauft sind, hängen wir am Sonntagmittag um 14 Uhr nochmal eine Matinee-Show dran. Das wird ein volles Konzert vor dem eigentlichen Abendkonzert. Da können dann vielleicht auch Kinder zuhören. Hinzu kommt, dass ich am Samstagabend nach der TV-Smith-Show noch einen Auftritt mit Cryssis beim „Punk im Pott“-Festival in Oberhausen habe. Das sind dann fünf Konzerte in drei Tagen. Ein echtes Pfund.

Hätte sich nicht gleich ein größerer Laden angeboten, damit Sie nur einmal auftreten müssen?

Ritchie: Eigentlich schon. Ich muss TV auch unbedingt davon überzeugen. Das will er bislang nämlich nicht. Da hat er einfach seine persönlichen Prinzipien. Aber: Wir proben dieses Mal ja auch zum ersten Mal vorher zusammen. Das gab es auch noch nicht, weil ich seine Songs eigentlich in- und auswendig kann. Jetzt hat er aber eine neue Platte veröffentlicht. Da muss das sein. Insofern: Man kann alles ändern. (lacht)

Die Ruhe während der anschließenden Festtage haben Sie sich auf jeden Fall redlich verdient. Wie feiern Sie Weihnachten?

Ritchie: Vor allem am 25. Dezember. Da lade ich ein paar enge Freunde ins „Savas“ – eine griechische Taverne – zum „Rejects Christmas Dinner“ ein. Die hat sieben Tage in der Woche quasi rund um die Uhr auf. Ich kam da mal nachts nach einem Konzert vorbei und wurde freudig aufgenommen. Seitdem empfehle ich sie immer weiter. Ein toller Laden.

Und was bitteschön ist das „Rejects Christmas Dinner“?

Ritchie: Das ist ein Weihnachtsessen für alle, die sonst niemand zum Fest daheim haben will. Also für alle, die – so die Übersetzung – anderswo abgelehnt wurden. (lacht)