Düsseldorf Von 2,67 auf 2,1: Notenschnitt der Abiturienten immer besser

Am Theodor-Fliedner-Gymnasium haben aktuell sogar 63 von 139 Abiturienten eine Eins. Experten warnen vor Bestnoten-Flut.

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Düsseldorf. Ist das Abitur mit einer Eins vor dem Komma immer leichter zu erlangen? Begriffe wie „Inflation der Einser-Abis“ und die Angst vor der Entwertung des Abiturs befeuern derzeit die Debatte. In Düsseldorf hat das Theodor-Fliedner-Gymnasium gerade 63 von 139 Abiturienten mit einem Einserschnitt entlassen. Und auch ein Blick auf die Notendurchschnitte der vergangenen Jahre zeigt: Die Düsseldorfer Schüler werden immer besser.

Neben den vielen Einser-Kandidaten konnte das Fliedner-Gymnasium 59 Schülern eine Zwei vor dem Komma geben, 17 hatten eine Drei. Und sechs Abiturienten erreichten die Glanznote 1,0. Der Schulleiter des Evangelischen Gymnasiums Michael Jacobs sieht als Gründe: „Anstrengungsbereitschaft, guter Unterricht, lernförderliches Schulklima, Kultur der Anerkennung von Leistung, unterstützende Familien“. Und der Mädchenanteil von 60 Prozent spiele ebenfalls eine Rolle.

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) befürchtet schon lange eine Abwertung des Abiturs, mehr noch: „Diese Noteninflation ist nicht zufällig, sie hat Methode“, sagte der DPhV-Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger bereits im Juli 2014 bei einer Pressekonferenz in Berlin. Hinter der Aussage steckt der Vorwurf, dass durch „softere“ Beurteilungsmaßstäbe die Akzeptanz für die auf acht Jahre verkürzte Schulzeit an Gymnasien (G8) erhöht werden soll. Die Verlierer seien dann die wirklich herausragend guten Schüler, aber auch das Abitur an sich, „weil die Bestnoten-Zertifikatsflut Hochschulen und Wirtschaft zu eigenen Auswahlverfahren zwingen wird.“

Das hätte Konsequenzen: „Es würde sich durch häufiger durchgeführte Auswahlmethoden wie Assessment-Center zeigen, wenn die Noten nicht mehr aussagekräftig genug wären“, vermutet Petra Pigerl-Radtke, Geschäftsführerin für den Bereich Aus- und Weiterbildung bei der IHK Mittlerer Niederrhein.

In Düsseldorf zeigt sich: Lag der Notendurchschnitt der Abiturienten an Gymnasien 2003 noch bei 2,67, so lag er 2008 — ein Jahr nach der Einführung des Zentralabiturs — bei 2,57. Im Jahr 2013 lag der Durchschnitt bei 2,42, 2014 bei 2,45 und 2015 gar bei 2,34.

Auch das Gymnasium Korschenbroich im Kreis Neuss bekam mit seinen überragenden Zahlen jüngst viel Aufmerksamkeit. 35 von 85 Abiturienten hatten die Eins vor dem Komma. Schulleiter Uwe Roschek lobt zum einen den großen Einsatz und Zusammenhalt der Schüler, die intensiv gemeinsam gebüffelt hätten. „Andererseits ist es seit der Zusammenlegung des Abiturs von Gesamtschule und Gymnasium seit 2008 für Gymnasiasten nicht gerade schwerer geworden, das Abitur zu erlangen.“ Die bildungsorientierte Gesellschaft in der Kleinstadt und die Tatsache, dass sein Gymnasium das einzige in Korschenbroich ist, führten aber auch dazu, dass die Schüler besonders gut seien.

„Es kann ja sein, dass die Schüler durch leistungsorientierte Eltern besser werden“, so Petra Pigerl-Radtke. „Viel beunruhigender finde ich aber den Akademisierungs-Wahn. Dass eine Berufsausbildung oft die gleichen Berufschancen auf praktischerem Wege bietet, wissen viele gar nicht.“